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Im Dauerpatt gefangen

Von Michael Schmölzer

Politik

Israel wählt zum dritten Mal innerhalb eines Jahres. Premier Netanjahu ist wegen einer Anklage zum Siegen verurteilt.


Mittlerweile sind Israels Wähler wahre Routiniers an der Urne: Bereits zum dritten Mal innerhalb eines Jahres wird am Montag ein neues Parlament bestimmt und schon wieder dürfte es keinen eindeutigen Sieger geben. Damit wird auch weiterhin spannend zu beobachten sein, ob und wie sich Israel aus dem politischen Dauerpatt befreien kann.

Wie in der Vergangenheit liegen die rechtsnationalistische Likud-Partei von Premier Benjamin Netanjahu und das Bündnis moderater Kräfte seines Rivalen Benny Gantz gleichauf. Laut am Freitag veröffentlichter Umfrage der Zeitung "Israel Hayom" kommen beide Parteien auf jeweils 33 von 120 Sitzen. "Maariv" sieht das nicht wesentlich anders, hier erreichen die Konkurrenten jeweils 34 Sitze. Laut dem Radiosender "Kan" erhält Netanjahu mit 35 Sitzen ein Mandat mehr als Blau-Weiß.

Netanjahu unter Druck

Entscheidend ist, dass dem rechts-religiösen als auch dem Mitte-links-Lager in allen Umfragen die entscheidenden Mandate für eine Regierungsmehrheit fehlen. Drittstärkste Kraft wird wohl die Vereinigte Arabische Liste mit 13 oder 14 Sitzen. Die Partei Israel Beitenu des ultrarechten und mit Netanjahu zerstrittenen Ex-Verteidigungsministers Avigdor Lieberman kommt auf 6 oder 7 Mandate.

Dabei steht der Premier juristisch unter Druck, die Wahl entscheidet über sein politisches Schicksal. Er ist wegen Korruption, Betrugs und Untreue angeklagt und muss vor Gericht erscheinen. Im Jänner reichte Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit Anklage ein. Am 17. März wird das Verfahren gegen Netanjahu in Jerusalem eröffnet.

Eine Premiere, denn er ist damit der erste Regierungschef Israels, der während seiner Amtszeit unter Anklage steht.

Der als Kämpfernatur bekannte Politiker denkt aber nicht daran, klein beizugeben. Die Probleme mit der Justiz haben auch auf Netanjahus Beliebtheitswerte kaum Auswirkungen: Die Zustimmung zum Likud-Chef hat seit der letzten Wahl weder ab- noch zugenommen - eine Stagnation, die Netanjahu hoffen lässt.

Der geschäftsführende Premier gilt nicht umsonst als politisches Stehaufmännchen. Er inszeniert sich als einziger wirklicher Garant für die Sicherheit Israels. Im Wahlkampf setzt der 70-Jährige zudem voll auf sein unübersehbar enges Verhältnis zu US-Präsident Donald Trump.

Dessen Nahost-Plan, der den Palästinensern wenig Luft zum Atmen lässt, wird von Netanjahu als "historische" Gelegenheit zur Beilegung des Konflikts gefeiert. Die israelische Regierung legt nach und hat nur wenige Tage vor der Wahl die Errichtung von fast 1800 neuen Siedler-Wohnungen im besetzten Westjordanland bekannt gegeben. Das Bauprojekt sei bereits fixiert, hieß es am Donnerstag.

Konkurrent Benny Gantz indes verkörpert die von vielen Israelis ersehnte Alternative zu Netanjahu. In Gesellschaftsfragen gibt sich der ehemalige Chef des Generalstabs liberal. In sicherheitspolitischen Fragen sind die Unterschiede zwischen dem Karrieresoldaten und dem Premier minimal. Im Parteiprogramm der Liste Blau-Weiß wird die Zweistaatenlösung ebenfalls nicht erwähnt. Das Jordantal soll laut Gantz auf ewig unter israelischer Kontrolle bleiben und Israels Souveränität über Ostjerusalem bewahrt werden.

Genau das sieht der Nahost-Plan vor, den US-Präsident Donald Trump im Jänner im Beisein Netanjahus präsentiert hatte.

"Bedrohung für Sicherheit"

Unterdessen ist Netanjahu damit beschäftigt, einen möglichen Premier Gantz als großes Sicherheitsproblem darzustellen. Denn der Ex-General wäre auf die Unterstützung des Wahlbündnisses Vereinigte Liste, bestehend aus arabischen Parteien, angewiesen. Gantz kann dem entgegen halten, dass er als Generalstabschef immerhin zwei Kriege im Gazastreifen geleitet hat. Und er führt immer wieder die Korruptionsvorwürfe gegen Netanjahu ins Treffen: Der Premier werde nun vor Gericht gestellt, und nicht mehr in der Lage sein, sich um die Anliegen der israelischen Bürger zu kümmern.

Eine nicht unerhebliche Rolle für das Ergebnis wird die Wahlbeteiligung spielen. Mittlerweile gilt es als Netanjahus Spezialität, unentschlossene Wähler mit großem persönlichem Einsatz noch in letzter Sekunde an die Wahlurnen zu treiben.

Überall auf der Welt würde sich beim dritten Votum innerhalb kurzer Zeit Wahlmüdigkeit breimachen. Nicht so in Israel. Schon bei der Wahl im September ist die Beteiligung leicht gestiegen. Möglich, dass diese beim dritten Anlauf abermals übertroffen wird.