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Doktor Fauci und seine dunkelste Stunde

Von Konstanze Walther

Politik

Der Immunologe ist alles, was US-Präsident Trump nicht ist. Auf den Schultern des Mediziners lastet nicht nur der Kampf gegen das Virus, sondern auch jener gegen das Unwissen.


Für den Doktor ist es an sich nichts Neues. US-Präsidenten berät Anthony Fauci schon seit Anfang der 1980er Jahre, seit der Ära von Ronald Reagan. Fauci, seines Zeichens Immunologe, hat damit den Ausbruch der Aids-Krise in New York in den 1980ern bekämpft. Er hat später die US-Regierung bei Maßnahmen gegen Ebola in Afrika beraten. Und nun berät der Doktor eben in der Corona-Krise.

Kaum eine Pressekonferenz des US-Präsidenten Donald Trump zur Corona-Krise, bei der der 79-jährige Fauci nicht in der Nähe des Podiums ist. Sollte Fauci einmal abwesend sein, sind die ganzen USA besorgt. Denn Fauci gilt als wichtigster Gegenpol zu Donald Trump in der gegenwärtigen Gesundheitskrise. Während Trump noch erklärt hatte, dass die USA "sehr sehr bald" einen Sieg gegen das Virus davontragen würden, erklärte Fauci im Anschluss nüchtern die Verbreitungsgeschwindigkeit. Während Trump erklärte, die USA würden "viel, viel früher" als gedacht wieder ihren normalen Gang gehen und bald die ersten Lockerungen ins Haus stehen, greift sich Fauci auf die Stirn. Wohl, um eine Schweißperle wegzuwischen. Später steht er vor dem Mikrofon und appelliert an die US-Bürger, sich an die Leitlinien zu halten.

Faucis Job als oberster Gesundheitsberater in Immunologie und Viruserkrankungen ist kein einfacher. Viel Schlaf bekommt er nicht. An Krisen ist Fauci dank seiner langen Karriere theoretisch gewöhnt.

Schusswaffen und Drogentote

Doch es ist alles nicht so, wie es einmal war. Die Corona-Krise hat undenkbare Ausmaße angenommen, die ganze Welt steht buchstäblich still, die Ausnahme bilden Krankenhäuser. Die USA waren lange eine Insel der Seligen, was die Ausbreitung von Seuchen betrifft, Ebola und Sars haben sich auf anderen Kontinenten abgespielt. Lässt man Herzkreislauferkrankungen und Ähnliches außen vor, waren die größten gesundheitlichen Herausforderungen mit Todesfolge in den USA zuletzt Schusswaffen (knapp 15.280 Menschen starben 2019 durch eine Kugel) und Drogenmissbrauch - mehr als 70.000 Menschen kamen 2017 unter anderem durch das stark süchtig machende Schmerzmittel Oxycodon ums Leben.

Auf einmal sind die USA das neue Epizentrum der Corona-Krise. Und ausgerechnet jetzt handelt es sich bei Faucis Chef, dem US-Präsidenten, um eine Person, die Naturwissenschaften und Fakten schon immer mit Verachtung behandelt hat.

Als Gesundheitsexperten - unter anderem auch Fauci - Trump im Jänner und Februar vor dem Ausbruch der Krise in den USA warnten, war das Trump egal. Es müsse ja nicht sein, dass so ein "chinesischer Virus" auch in die USA kommen würde.

200.000 US-Amerikaner könnten sterben

Widerstrebend ließ Trump Geschäfte vorerst zusperren - nicht ohne immer wieder davon zu reden, dass sie ganz, ganz bald, "früher als alle denken", wieder aufsperren würden. Social Distancing ist schlecht für die Wirtschaft. Trump hat oft getrommelt, dass die "Medizin" nicht schlimmer als die "Krankheit" sein dürfe. Doch die Krise ist in den USA bei weitem nicht am Abflachen. Fauci erklärte zuletzt, er halte es für möglich, dass zwischen 100.000 und 200.000 US-Amerikaner sterben könnten, und rechnet mit Millionen Corona-Fällen in den USA.

Am Montag schwenkte dann auch Trump um: Besser jetzt das Unvermeidbare annehmen und es als Erfolg verkaufen. Schließlich wird im November gewählt. Wenn es den USA gelänge, die Zahl der Todesfälle auf 100.000 bis 200.000 zu begrenzen, "dann haben wir alle sehr gute Arbeit geleistet", meinte der US-Präsident.

Trump setzt seine Hoffnungen unterdessen auf ein etwaiges "Gottesgeschenk": Ein Malaria-Medikament hat am Montag von der US-Arzneibehörde grünes Licht bekommen, künftig gegen Corona verwendet werden zu können. Experten wie Fauci hatte erfolglos dagegen gewarnt, einen solchen Versuch ohne groß angelegte Studien zu starten.