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Globale Hungersnöte haben sich verdoppelt

Von WZ Online

Politik

Nach UN-Angaben sind rund 265 Millionen betroffen. Laut Hilfsorganisationen sind alleine in Westafrika 50 Millionen Menschen von Hunger bedroht.


Die Vereinten Nationen warnen davor, dass sich die Zahl der unterernährten Menschen wegen der Corona-Pandemie und ihrer wirtschaftlichen Folgen weltweit fast verdoppeln könnte. Das geht aus einem Bericht hervor, den das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) am Dienstag in Rom vorstellte.

Die Zahl der Menschen, die sich nicht ausreichend ernähren können, um gesund zu leben, oder die sogar Hunger leiden, könnte 2020 sprunghaft auf 265 Millionen anwachsen, hieß es. Im Vorjahr habe die Anzahl der Menschen mit einem akuten Mangel an ausreichend Essen bei 135 Millionen weltweit gelegen. Unter der drastischen Verschlechterung ihrer Ernährungslage durch die Folgen der Corona-Krise dürften besonders Menschen in ärmeren Staaten leiden.

"Wir müssen jetzt gemeinsam handeln, um die Auswirkungen dieser globalen Katastrophe zu mildern", forderte der WFP-Experte Arif Husain anlässlich der Vorstellung des Berichts.

Die Prognosen für die Entwicklung durch die Covid-19-Krankheit stehen in einem Sonderbericht zum Gesamtüberblick der weltweiten Ernährungskrisen 2019, die das WFP zusammen mit anderen Organisationen präsentierte. Danach wussten im Vorjahr besonders viele Menschen im Jemen, in der Demokratischen Republik Kongo und in Afghanistan nicht, wo sie die nächste Mahlzeit herbekommen sollten. Die weltweite Gesamtzahl von 135 Millionen Menschen, die von Ernährungskrisen betroffen sind, sei schon 2019 die höchste in vier Jahren gewesen, hieß es.

 

Hilfsorganisationen rechnen mit 50 Millionen in Westafrika

In Westafrika verschärft die Coronavirus-Pandemie nach Angaben von Hilfsorganisationen eine drohende Hungerkrise: Die Zahl der Menschen, die in der Region von Ernährungsunsicherheit und Unterernährung bedroht seien, könne laut der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) zwischen Juni und August von 17 Millionen auf 50 Millionen steigen.

Davor warnten acht Hilfsorganisationen, darunter Oxfam, Care, Save the Children und die Aktion gegen den Hunger, am Dienstag. Vor dem Hintergrund zur Neige gehender Erntevorräte und andauernder Konflikte verschärfe die Pandemie die bereits sehr fragile Ernährungssituation in der Region, erklärten die Organisationen. Der Zugang zu Lebensmitteln sei sowohl in den Städten als auch in ländlichen Gebieten schwieriger geworden.

Die Preise seien gestiegen und viele Grundnahrungsmittel kaum noch verfügbar. Grund hierfür seien die restriktiven Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus wie Ausgangssperren und Grenzschließungen sowie Unsicherheiten in bestimmten Gebieten.

 In Burkina Faso oder dem Niger deckt die humanitäre Hilfe nach Angaben der Organisationen nicht mehr den Nahrungsmittelbedarf von tausenden Binnenvertriebenen.

Bauern und Produzenten sind den Angaben zufolge schon zu Beginn der landwirtschaftlichen Saison wirtschaftlich stark von der Krise betroffen. Sie haben demnach Schwierigkeiten, hochwertiges Saatgut und Düngemittel zu beschaffen. "In wenigen Tagen ist der Preis für einen 100-Kilo-Sack Hirse von 16.000 auf 19.000 CFA-Francs gestiegen und die Kosten für einen Liter Speiseöl haben sich verdoppelt", sagte Amadou Hamadoun Dicko von der Vereinigung zur Förderung des Viehbestands in der Sahelzone und in der Savanne.

Die Landwirtschaft macht nach Angaben der Hilfsorganisationen mehr als 30 Prozent der westafrikanischen Wirtschaft aus. Für 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung ist sie die größte Einkommens- und Lebensgrundlage - hauptsächlich für Frauen, die von den Auswirkungen der Pandemie besonders betroffen sind. "Wir haben 75 Prozent unseres Marktes durch die Sperrung der Stadt Bobo Dioulasso verloren", sagte Toe Hazara, die in einer Molkerei in Burkina Faso arbeitet.

Mit voller Wucht

Nomadische Viehzüchter, die bereits stark mit den Auswirkungen der Klimakrise und anderen Unsicherheiten zu kämpfen haben, trifft die Coronkrise nach Angaben der Hilfsorganisationen ebenfalls hart, weil die Schließung von Grenzen die Wanderung ihrer Herden unmöglich macht und Konflikte zwischen Hirten und Bauern verschärft. "Die Ausgangssperren schränken die Möglichkeit ein, den Tieren nachts Wasser zu geben, mit der Folge, dass die Wasserstellen tagsüber überfüllt sind", sagte Ismael Ag von der Vereinigung Billital Maroobe Network.

Die Hilfsorganisationen fordern daher Maßnahmen, um besonders gefährdete Menschen zu schützen und die Nahrungsmittelproduktion in der Region sicherzustellen. Die Regierungen sollen die Preise stabil halten, die Versorgung mit Lebensmitteln sicherstellen und den grenzüberschreitenden Warenverkehr gewährleisten. Die Hilfsorganisationen fordern zudem Maßnahmen zur sozialen Sicherung und zum Schutz besonders gefährdeter Menschen. Die westafrikanischen Staaten sind zur Bewältigung der Krise demnach aber auch dringend auf die Unterstützung von Geberländern angewiesen. (apa, reuters, afp)