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Das Morgenland macht dicht

Von WZ-Korrespondentin Birgit Svensson

Politik
Die Kaaba in Mekka wird desinfiziert und geputzt: Ramadan im Ausnahmezustand.
© reuters

Ramadan und Corona-Krise: Gläubige Muslime werden aufgerufen, diesmal daheim zu beten.


Wochenlang wird darauf hin gearbeitet, werden Rezepte ausgetauscht für das erste Mahl des Tages, das Iftar bei Sonnenuntergang. Denn der heilige Fastenmonat Ramadan, der jetzt beginnt, ist für die Muslime etwas ganz Besonderes.

Es gibt Leckereien, die es sonst das ganze Jahr nicht gibt. Während zum Fastenbrechen bescheiden eine Dattel und ein Glas Wasser gereicht werden, wird danach umso üppiger aufgetischt. Die Händler verzeichnen in dem Monat ein enormes Umsatzplus, die Geschäfte sind die ganze Nacht geöffnet, bis der Muezzin beim Blick auf den ersten Silberstreifen am Horizont zu erneuter Enthaltsamkeit aufruft. Enthaltsamkeit in jeglicher Hinsicht: Essen, Trinken, Rauchen und Sex.

Erst wenn die Sonne untergeht, ist wieder alles erlaubt. In den ersten zwei von vier Wochen, gilt das gemeinsame Fastenbrechen der Familie, danach wird außerhalb gegessen, im Kreise der Kollegen, auf Einladung von Freunden, Bekannten und auch offiziellen Institutionen und Organisationen. Der Ramadan ist ein geselliger Monat.

Fasten als gemeinschaftliches Erlebnis

Die Umma, die Gemeinschaft aller Muslime, steht im Vordergrund. Man geht zusammen in die Moschee, danach zum Essen und ins Theater oder Konzert. Die Armen kommen ebenfalls nicht zu kurz. Vor allem in Ägypten gibt es großzügige Sponsoren, die lange Tafeln decken lassen für diejenigen, die sonst nicht viel zu essen bekommen. Jeden Abend lädt in Kairo ein anderer Mäzen ein und seine Großzügigkeit erlebt viel Zuspruch - und Werbung.

Doch dieses Jahr ist alles anders. Das Morgenland macht dicht. Das hatte es zuletzt während des Sechs-Tage-Krieges von 1967 gegeben: Heute ist es das Coronavirus, das fast alle Flughäfen im Nahen - und Mittleren Osten geschlossen hat.

Nachdem sich zunächst Saudi-Arabien und Kuwait von der Außenwelt abschotteten, folgten Beirut, Kairo, Damaskus und Bagdad. Wann die Flugverbindungen wieder aufgenommen werden und die Grenzen öffnen, steht derzeit in den Sternen. Überdies haben die libanesische und irakische Regierung landesweite Ausgangssperren verhängt, die von der Bevölkerung allerdings zunächst ignoriert wurden.

Spaziergänger und Jogger waren bei Sonnenschein auf der Beiruter Corniche unterwegs. In die offiziell geschlossenen Schischa-Bars von Bagdad kamen die Besucher mit Mundschutz. Kein Wunder also, dass ein heftiger Streit darüber tobt, wie die Regeln während des Ramadan gehandhabt werden sollen.

Von den weltweit mehr als 1,8 Milliarden Muslimen müssen sich die meisten auf einen wenig erfreulichen Fastenmonat einrichten. Zunächst diskutierte die Al Azhar Universität in Kairo, die höchste sunnitische Instanz der Muslime, ob der Ramadan verschoben werde, da er nicht den Geist verbreiten könne, der ihm obliegt. Doch damit wäre der gesamte muslimische Kalender ins Rutschen geraten. Die Schiiten waren dagegen und auch der Rat der Höchsten Religionsgelehrten in Saudi Arabien, das die heiligen Stätten Mekka und Medina beherbergt und sich dadurch manchmal wichtiger hält als der ägyptische Großmufti in Kairo, lehnte ab.

Stattdessen hat das Königreich am Golf dazu aufgerufen, wegen des Coronavirus dieses Jahr zu Hause zu beten. Schluss mit dem dichten Gedränge beim rituellen Nachtgebet in den Moscheen. "Muslime sollten Ansammlungen von Menschen vermeiden, weil sie als Hauptgrund für die Zunahme von Infektionen gelten". Das als "Tarawih" bekannte Nachtgebet im Ramadan solle zu Hause stattfinden, sofern die religiösen Instanzen des jeweiligen Landes dies erlaubten. Auch vom abendlichen Fastenbrechen im großen Kreis werde abgeraten.

Aus Sorgen vor einer weiteren Ausbreitung des Coronavirus haben die meisten islamisch geprägten Länder ihre Moscheen bereits geschlossen. Saudi-Arabien ist im arabischen Raum am stärksten von dem Virus betroffen, gefolgt von den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar.

Ob die Empfehlungen von den Gläubigen eingehalten werde, darf allerdings bezweifelt werden. Allah sei größer als das Virus, heißt es von Kairo bis Riad. Wenn der Allmächtige das Virus geschickt habe, um die Kranken und Schwachen zu töten, dann sei das sein Wille, dem man sich nicht widersetzen dürfe. Ein weiterer Beweis für die Macht des Stärkeren, die in der arabischen Mentalität ohnehin stark ausgeprägt ist.

Risikogruppen haben hier keine Chance. Wenn jetzt plötzlich die autokratischen Herrscher am Nil oder am Golf Menschenleben retten wollen, so wird dies von ihren Untertanen eher mit Argwohn betrachtet, denn mit Respekt.

"Aus Häusern werden Moscheen"

Die Islamische Glaubensgemeinschaft Österreich (IGGÖ) rief jedenfalls dazu auf, während des Ramadan weiter in den eigenen vier Wänden zu beten. Die Moscheen bleiben auch im Ramadan geschlossen. IGGÖ-Präsident Ümit Vural erklärte am Wochenende im ORF-Fernsehen, die Gesundheit der Gläubigen stehe im Vordergrund. Erste Schritte zu einer eventuellen Lockerung würden mit den anderen Religionsgemeinschaften akkordiert. So könnte etwa künftig mit eigenen Teppichen, Schutzmasken und Sicherheitsabstand in Moscheen gebetet werden.

Vural betonte aber auch, dass die Einschränkungen einen schwerer Verzicht darstellten: "Der Islam wird in der Gemeinschaft gelebt. In der jetzigen Situation gelte es, "unsere Häuser mit Gebeten und Rezitationen zu erhellen und sie zu Moscheen zu machen", so der Chef der Islamischen Glaubensgemeinschaft.