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Systemischer Rassismus in blauer Uniform

Von Konstanze Walther

Politik

Der vermeidbare Mord von George Floyd durch die Polizei in Minneapolis schürt in den ganzen USA Proteste.


Ich kann nicht atmen", war einer der letzten Sätze des Afroamerikaners George Floyd. Dessen ungeachtet kniete der weiße Polizist Derek Chauvin weiter auf seinem Hals. Fünf Minuten lang fixierte der Polizist so den Unbewaffneten, obwohl der ohnedies schon Handschellen angelegt bekommen hatte. Floyds nackter Oberkörper macht die Offensichtlichkeit noch deutlicher: Er war unbewaffnet. Vier Polizisten stehen um ihn herum, oder - wie im Fall von Chauvin - knien auf Floyds Hals.

Was wurde Floyd vorgeworfen? Er wurde, mitten in der Wirtschaftskrise, verdächtigt, in einem Lebensmittelhandel mit einem gefälschten Scheck bezahlt zu haben. Das Geschäft in Minneapolis rief auf diesen Verdacht hin die Polizei, die rückte mit vier Mann an. Floyd wurde aus dem Geschäft gezerrt, zu Boden geworfen, ihm wurden Handschellen angelegt. Sein Betteln, dass er gleich sterben werde, wurde mit einem "Dann setzt du dich eben ins Polizeiauto" quittiert. Floyd bejahte das - er würde sich ja ins Polizeiauto setzen. Aber den Polizisten war es egal, Chauvin kniete weiter auf dem Hals des 46-Jährigen. Als Floyd das Bewusstsein verlor, kniete Chauvin weiter auf dem Hals. Später wurde der Tod von Floyd festgestellt. Er war betrunken, aggressiv, er habe sich gewehrt, erklärten die Polizisten zuerst. Klang plausibel genug für die Akten.

Aber Passanten haben die Tat gefilmt. Das änderte alles. Bürgermeister und Polizeipräsident, gaben sich fassungslos. Sogar US-Präsident Donald Trump ordnete eine Untersuchung an.

Beurlaubung der Polizisten

Schließlich wurden alle vier Polizisten beurlaubt. Ihr Gehalt beziehen sie weiter. Die Konsequenzen stehen in den Sternen.

Die Schwester des Opfers fordert, dass die Polizisten des Mordes angeklagt werden. Die Buchstaben des Gesetzes geben ihr recht: Für den Vorsatz bei Mord reicht es aus, wenn man die Beendigung eines Menschenlebens "in Kauf nimmt".

Zwei der Polizisten - unter anderem der Hauptakteur - hatten eine höchst problematische Vergangenheit was den überschießenden Gebrauch von Waffengewalt betrifft, davon zeugen interne Untersuchungen. Es muss beiden in der Vergangenheit klar gemacht worden sein, dass es theoretisch eine Grenze gibt. Dass beide offenbar davon ausgegangen sind, dass ihre Tat keine Konsequenzen hat, zeugt davon, dass das amerikanische Polizeisystem trotz aller Lippenbekenntnisse noch immer nicht aus den vielen Vorfällen und den traurigen Statistiken gelernt haben.

Oft keine Konsequenzen

Die Tötung eines Schwarzen ist in den USA oft genug ohne Konsequenzen geblieben. Und dabei ging es oft nicht um Zweifel an den Darstellungen. Floyds Fall erinnert etwa an die Tötung des Afroamerikaners Eric Garner, 2014, die ebenfalls auf Video aufgenommen wurde. Der damals 43-Jährige wurde 2014 von New Yorker Polizisten zu Boden geworfen. Sie drückten ihm die Luft ab, später starb er im Krankenhaus. Garners letzte Worte - "Ich kann nicht atmen" ("I can’t breathe") - wurden zu einem Slogan der Bewegung "Black Lives Matter". Die verantwortlichen Polizisten wurden später nicht angeklagt.

Seit Bekanntwerden des Videos am Dienstag dieser Woche reißen die Proteste in den USA nicht ab - längst beschränken sie sich nicht nur auf Minneapolis. Friedliche Proteste sind dabei zum Teil eskaliert.