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Das Säen der Zwietracht

Von Konstanze Walther

Politik

Während Trump weiter mit dem Einsatz von Militär droht, gehen die großteils friedlichen Proteste in den USA weiter.


Diesen November drohten dem US-Präsident die Felle bei den Wahlen wegzuschwimmen. Das Coronavirus hat in den Vereinigten Staaten so stark gewütet wie in keinem anderen Land der Welt. Die Wirtschaftsentwicklung, das Steckenpferd eines Republikaners, zeigt steil nach unten. Aber nun witterten die Berater des Präsidenten noch eine letzte Chance vor den Wahlen im November. Es gehört zum kleinen Einmaleins der Politik-Interessierten, dass ein Krieg, ein Truppeneinmarsch in Vietnam, in Afghanistan, oder im Irak, immer gut ist für die Popularitätswerte des jeweiligen Mannes im Weißen Haus. So zynisch es klingen mag: So manch einer sieht in den Demonstrationen anlässlich des Mordes an George Floyd eine Chance, Trump als gottesfürchtigen Law-and-Order-Präsidenten zu inszenieren.

Und so stellte sich der zweimal geschiedene Trump, bewaffnet mit einer Bibel, vor die St. John’s Church in Washington, malte ein Bild der Zerstörung in den USA, huldigte den schützenswerten, rechtschaffenen Bürgern und ihrem Eigentum und erklärte, er werde das Militär losschicken, wenn die Brandschatzung und Plünderung in den USA kein Ende nehmen. Für besondere Entrüstung sorgte die Tatsache, dass ihm die Polizei den Weg zur Kirche, die gegenüber des Weißen Hauses liegt, mit massivem Einsatz von Tränengas gebahnt hatte.

Das Foto ist jedenfalls geblieben, für all jene, die sich nur für Bilder interessieren. Doch die kirchliche Gemeinde protestierte danach aufs Schärfste.

Die episkopalische Bischöfin, Mariann Edgar Budde, zu deren Kongregation auch die St. John’s Church gehört, zeigte sich danach empört. Es dürfe nicht sein, dass Trump den für die jüdisch-christlichen Religionen allerheiligsten Text und die Kirche für ein Foto-Shooting missbrauche, um eine Botschaft zu senden, die diametral entgegengesetzt zu dem sei, was Jesu gelehrt hätte. Das Weiße Haus hat übrigens nicht für eine Genehmigung für das Foto-Shooting angesucht.

Darauf angesprochen meinte Trumps Beraterin Kellyanne Conway, dass man sich von "Brandstiftern und Anarchisten" nicht erklären lasse, wie man seine Religion praktizieren solle. Conway ist übrigens auch jene Beraterin, die das Wortpaar "alternative Fakten" geprägt hatte. Als es darum ging, wie viele oder eher wie wenige Menschen zur Angelobung von Präsident Trump 2016 gekommen sind.

Das Weiße Haus zeichnet ein Bild des Bürgerkriegs

Das Bild eines Landes, das sich am Rande des Bürgerkriegs befindet, versuchten auch andere in Trumps Team zu beschwören. Mark Esper, der im sich schnell drehenden Personalkarussell von Trump erst vergangenes Jahr zum Verteidigungsminister berufen worden war, trat diese Woche in Camouflage-Uniform vor die Kameras, während Helikopter im nächtlichen Himmel in Washington kreisten, und sprach davon, dass die USA zu einem "Battlespace" geworden sind, einem "Kampfraum". Damit schreckt er nur minimal davor zurück, von einem "Battleground" zu reden, ein Wort, dass in den USA noch immer für Kampfgebiet reserviert ist. Aber diese Rhetorik fanden auch nicht alle im Militär gut. "Amerika ist kein Kampfgebiet, und unsere Mitbürger sind nicht der Feind", schrieb etwa Martin Dempsey, ein hochrangiger Ex-Militär, auf Twitter.

Am Montag vergangene Woche verstarb der Afroamerikaner George Floyd, nachdem ein weißer Polizist minutenlang auf seinem Hals gekniet war. Mit diesem Dienstag gingen die Demonstrationen in den achten Tag ohne Pause. Aber die gewalttätigen Zwischenfälle ebbten zuletzt ab. "Die Proteste waren größtenteils friedlich, es wurden nur sporadische Plünderungen gemeldet", schreibt die "New York Times". Die Demonstranten setzten nur gegen die nächtlichen Ausgangssperren in den vielen Städten hinweg. Auch in der Hauptstadt Washington, die zunehmend einer stark aufgerüsteten Festung gleiche. Denn US-Soldaten sind nach Washington geschickt worden und sind dort auf "Stand-by".

 

Anklage erweitert

Mittwochabend wurde bekannt, dass drei weitere Polizisten offiziell beschuldigt werden und die Anklage gegen den Hauptverdächtigen auf Totschlag (Second degree murder) erweitert wird. Zugleich werden die Vorwürfe gegen den Polizisten Derek Chauvin verschärft, der Floyd minutenlang das Knie auf den Nacken gedrückt hatte, erklärte Senatorin Amy Klobuchar.

In Los Angeles knieten Bürgermeister Eric Garcetti und Polizeibeamte in einer symbolträchtigen Geste nieder, als sie sich mit Demonstranten trafen - als gemeinsames Zeichen gegen Rassismus und Polizeigewalt. Jüngsten Umfragen zufolge sympathisieren 64 Prozent der Amerikaner mit den Protesten und verurteilen Trumps Umgang mit ihnen.