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Asiatische Zeitbomben

Von Klaus Huhold und Michael Schmölzer

Politik

Die toten Soldaten an der Grenze zwischen Indien und China und das Toben Nordkoreas sind nur zwei Beispiele: In Asien schwelen mehrere Konfliktherde, die jederzeit explodieren können.


Es ist eine oft verkündete These: Das 21. Jahrhundert wird Asien gehören. Vertreter dieser Theorie führen dafür gerne den wirtschaftlichen und zusehends auch geopolitischen Aufstieg Chinas, aber auch das Beispiel Indien an. Gleichzeitig ist Asien aber auch eine Kriegsregion: Das zeigt sich im Nahen Osten in Syrien und im Jemen, oder in Afghanistan, wo die USA nun plötzlich mit den Taliban über Frieden verhandeln.

Doch noch weiter östlich - dort, wo der wirtschaftliche Aufstieg stattfindet - gibt es Konflikte, die zwar keine offenen Kriege sind, die aber immer wieder scheinbar überraschend hochkochen. Das hat sich diese Woche wieder gezeigt: An der chinesisch-indischen Grenze kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen den Armeen der beiden Länder mit mehreren Toten. Und Nordkorea hat das Verbindungsbüro zu Südkorea gesprengt. Irgendwann könnte solch ein Zwischenfall ein internationales Lauffeuer auslösen. Und das sind nicht die einzigen Konflikte, die derart brandgefährlich sind. Ein Überblick.

Konflikt in luftiger Höhe: China-Indien

Dass in der Himalaja-Region einige Zeitbomben ticken, wurde in der Nacht auf Dienstag offenkundig: Chinesische und indische Grenzsoldaten gingen in der Region Ladakh mit bloßen Fäusten und Knüppeln aufeinander los, 20 indische und eine unbekannte Zahl chinesische Uniformierte kamen ums Leben.

Nordkoreas Diktator Kim soll einem UN-Bericht zufolge trotz Sanktionen weiterhin an Nordkoreas Atomprogramm festhalten.
© Reuters / KCNA

Eine Grenze im herkömmlichen Sinn gibt es an der umkämpften Stelle nicht, nur eine Waffenstillstandslinie aus dem Jahr 1962. Damals führten China und Indien einen Krieg mit 2000 Toten um den Grenzverlauf. China siegte, doch auch das konnte den Streit nicht beilegen. Die aktuelle chinesische und indische Politik der nationalen Stärke hat mit Sicherheit dazu beitragen, dass die Lage in über 4000 Metern völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Immer wieder überschreiten Stoßtrupps von indischer und chinesischer Seite die Grenze, misstrauisch - auch mit Drohnen-Einsatz - wird beobachtet, was der Gegner auf der anderen Seite tut. Infrastrukturprojekte wie der Bau einer Straße gelten als Provokation, Indien wie China haben in der Region tausende, teils schwer bewaffneten Soldaten stationiert. Eine brisante Situation, die schnell explodieren kann.

Zwei Atommächte stehen sich gegenüber: Kaschmir

Auch an der indisch-pakistanischen Grenze kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit Toten. Erst am Donnerstag hat Pakistan den indischen Streitkräften vorgeworfen, vier Zivilisten an der Kontrolllinie getötet zu haben.

Die Nachbarländer streiten sich seit Jahrzehnten um Kaschmir. Kaschmir ist zwischen Indien und Pakistan aufgeteilt, ein kleiner Teil gehört auch zu China. Sowohl Indien als auch Pakistan erheben Anspruch auf wesentlich mehr Territorium.

Erneut angefacht wurde der Konflikt dadurch, dass Indiens hindunationalistische Regierung 2019 der mehrheitlich muslimischen Region Jammu und Kaschmir den Teilautonomiestatus entzogen und auch harte Maßnahmen gegen die Bevölkerung, wie etwa Ausgangsverbote, vollstreckt hat - was Pakistan scharf kritisiert hat. Die beiden Staaten haben schon mehrere Kriege wegen Kaschmir geführt. Dabei ist es nie zum Äußersten gekommen, doch beide Länder sind Atommächte. Mit jedem Vorfall an der Grenze schaukelt sich die Lage hoch.

Gesprengte Hoffnungen: Nordkorea

Südkoreas Wiedervereinigungsminister Kim Yeon-chul ist am Freitag zurückgetreten. Der Grund: die Verschlechterung der Beziehungen zu Nordkorea. Mit der Sprengung des innerkoreanischen Verbindungsbüros in der Grenzstadt Kaesong hat Nordkorea vorerst auch die Hoffnungen auf Entspannung in die Luft fliegen lassen. Dabei hatten sich Südkoreas Präsident Moon Jae-in und sein Stab genau darum bemüht.

Sie haben im Hintergrund zwischen den USA und Nordkorea vermittelt. Die versöhnlichen Töne bei den Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Diktator Kim Jong-un machten Hoffnungen. Danach forderte Nordkorea aber eine rasche Aufhebung der Sanktionen, während die USA verlangten, dass zuerst das atomar hochgerüstete Nordkorea abrüstet.

Es ist zwar unwahrscheinlich, dass Kim einen Krieg will - wäre das doch wohl Ende seines Regimes. Doch die Lage ist unberechenbar - und jede Provokation an der innerkoreanischen Grenze kann unabsehbare Folgen haben. Zumal die USA mit Südkorea verbündet sind und China einen Beistandsvertrag mit Nordkorea unterzeichnet hat.

Streitobjekt vieler Staaten: Das Südchinesische Meer

Verworren und heikel: Das ist der Konflikt rund um das Südchinesische Meer. Denn mehrere Länder sind darin verstrickt. China, Taiwan, die Philippinen, Vietnam, Japan und Malaysia stellen Gebietsansprüche, die sich vielerorts überschneiden und widersprechen. Es geht dabei um ein paar kleine Inseln, Rohstoffe und ein Gewässer, durch das enorm viel internationaler Güterverkehr fließt.

Manchmal werden Fischerboote ausgehoben oder gar versenkt, manchmal geraten Kriegsschiffe einander gefährlich nahe. Vor allem die Volksrepublik China geht dabei immer aggressiver vor: Erst im April hat Peking einzelne umstrittene Inseln, auf denen offenbar Soldaten der Volksbefreiungsarmee stationiert sind, zu eigenen Verwaltungsbezirken erklärt. US-Kriegsschiffe kreuzen auch immer wieder in den Gewässern - um wiederum China in die Schranken zu weisen. Was dem Konflikt weitere Brisanz verleiht, sind die damit einhergehenden nationalistischen Gefühle, die sich in China oder auch Vietnam schon in Massenkundgebungen entladen haben. Bei diesen wurde ein härteres Vorgehen gegen den Feind gefordert.

Chinesische Drohungen: der Taiwan-Konflikt

Der Taiwan-Konflikt hat zwar in den vergangenen Jahren zu keinen militärischen Scharmützeln geführt, aber die Drohungen Pekings Richtung Taiwan haben zugenommen - samt den diese begleitenden Militärübungen. Das demokratische Taiwan ist de facto unabhängig, wird aber von China als abtrünnige Provinz angesehen. Wenn China einmal in Zukunft seinen Großmachtanspruch militärisch unter Beweis stellen will, dann droht Taiwan das Opfer zu sein. Schutzmacht Taiwans sind aber die USA - was China von Abenteuern abhalten, aber auch dazu führen könnte, dass die beiden Großmächte militärisch aufeinanderprallen.