Führende Vertreter der beiden rivalisierenden Palästinenserorganisationen Fatah und Hamas haben zu einem gemeinsamen Kampf gegen mögliche Annexionsschritte Israels für Teile des besetzten Westjordanlands aufgerufen. Es sei an der Zeit, eine "nationale Front" zu bilden, sagte Jibril Rajoub von der Fatah am Donnerstag in Ramallah.
Ziel sei ein Ende der Besatzung und die Schaffung eines unabhängigen Palästinenser-Staates. Ein Aufstand (Intifada) sei ein Mittel. Rajoub betonte aber: "Wir wollen es ohne Blutvergießen erreichen."
Der per Video aus der libanesischen Hauptstadt Beirut zugeschaltete Saleh al-Arouri von der Hamas sagte: "Wir sollten alle Differenzen zurückstellen und uns auf eine Strategie verständigen." Er fügte hinzu: "Wir werden alle Formen des Widerstandes gegen eine Annexion nutzen." Einen bewaffneten Kampf schloss er somit nicht aus.
Alle Versöhnungsversuche bisher gescheitert
Die gemäßigtere Fatah von Präsident Mahmoud Abbas ist die größte Palästinenser-Organisation, die islamistische Hamas die zweitgrößte. Die Fatah herrscht seit 2007 nur noch in den nicht von Israel verwalteten Teilen des Westjordanlandes. Aus dem Gazastreifen war sie von der Hamas vertrieben worden. Alle Versöhnungsversuche scheiterten bisher. Entsprechende Gespräche gab es zuletzt 2017.
Israel, die USA und die EU stufen die Hamas als Terrororganisation ein. Die 1987 gegründete und vom Iran unterstützte Gruppe bestreitet das Existenzrecht Israels und fordert die gewaltsame Errichtung eines islamischen Palästinas vom Mittelmeer bis zum Jordan. Ihr militärischer Arm hat wiederholt Terroranschläge auf Israelis verübt.
Die israelische Regierung nimmt als Grundlage für eine mögliche Annexion einen Plan der US-Regierung. Dieser sieht vor, dass sich Israel rund 30 Prozent des 1967 im Sechstagekrieg eroberten Westjordanlandes einverleiben kann. Die restlichen 70 Prozent sollen Teil eines Palästinenser-Staates werden, allerdings unter strengen Auflagen. Schritte zu einer Annexion kann die israelische Regierung seit dem 1. Juli einleiten. Premier Benjamin Netanjahu hatte für Mittwoch in Aussicht gestellt, das Vorhaben seiner Regierung vorzustellen. Wann sich die israelische Regierung nun zu den Annexionsplänen äußert, ist unklar.
Warnungen aus Jordanien und dem Libanon
Jordanien und der Libanon haben ihren Nachbarn Israel am Donnerstag vor einer möglichen Annexion von Teilen des besetzten Westjordanlandes gewarnt. Diese sei ein "unverhohlener Verstoß" gegen internationales Recht, sagte Jordaniens Außenminister Ayman Safadi am Donnerstag nach einem Treffen mit seinem libanesischen Amtskollegen Nassif Hitti in der jordanischen Hauptstadt Amman.
Jordanien hatte 1994 einen Friedensvertrag mit Israel unterzeichnet. In dem Königreich leben nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als zwei Millionen palästinensische Flüchtlinge. Zudem haben viele Jordanier palästinensische Wurzeln. Libanon befindet sich offiziell noch im Kriegszustand mit Israel. Die dort einflussreiche und vom Iran unterstützte schiitische Organisation Hisbollah bekämpft das Nachbarland. Im Libanon leben der UNO zufolge rund 180.000 registrierte palästinensische Flüchtlinge. (apa, dpa, afp)