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Die USA steuern "Exit" um jeden Preis an

Von Michael Schmölzer

Politik

In Washington zieht man den Deal mit den Taliban programmgemäß durch, auch wenn die Islamisten dem Terror nicht abschwören.


Kabul/Washington. Für Washington liegt die Lage in Afghanistan klar auf der Hand: Die radikalislamischen Taliban sind paktfähig schon deshalb, weil das für die USA die einzige Möglichkeit ist, aus einem Schlamassel herauszukommen. Seit beinahe 19 Jahren sind die Vereinigten Staaten mit Soldaten am Hindukusch, sie haben viel Geld investiert, der Blutzoll war hoch.

Doch die Taliban, die einst Osama bin Laden Schutz gewährten, sind nicht besiegt. Ganz im Gegenteil ist es ihnen gelungen, große Gebiete des Landes wieder unter ihre Kontrolle zu bringen.

US-Präsident Donald Trump hat einen Abzug der US-Truppen versprochen, er ist seinen Wählern im Wort. Will er nach dem November 2020 im Weißen Haus bleiben, muss er liefern.

Im Februar haben die USA mit den Taliban ein Abkommen unterzeichnet, das den Abzug der internationalen Truppen konkret in Aussicht stellt. Im Gegenzug versicherten die Taliban, dass von Afghanistan künftig keine Terrorgefahr ausgehe.

Das Abkommen soll den Weg für innerafghanische Friedensgespräche bereiten. Einer der vielen Schönheitsfehler des Agreements ist, dass die Regierung in Kabul in die Verhandlungen nicht eingebunden war - weil die Taliban mit der offiziellen Führung des Landes nicht reden wollten.

Blutige Anschläge sind an der Tagesordnung

Während die radikalen Islamisten keine ermutigenden Signale setzen und blutige Anschläge weiterhin an der Tagesordnung sind, ziehen die USA ihren Teil des "Deals" programmgemäß durch. So haben GIs jetzt fünf der US-Militärstützpunkte in Afghanistan verlassen. Welche Standorte genau geschlossen wurden, ist geheim. Soldaten zogen sich jedenfalls in den Provinzen Helmand, Urusgan, Paktika und Laghman zurück, wie afghanische Provinzpolitiker bestätigten.

Der US-Sondergesandte für eine Aussöhnung, Zalmay Khalilzad, verkündete den Teilrückzug als bedeutenden Erfolg: "Wir haben Tag 135 erreicht, einen wichtigen Meilenstein bei der Umsetzung des US-Taliban-Abkommens", so Khalilzad via Twitter. Immerhin vergaß er nicht, auf das weiterhin sehr hohe Gewaltniveau im Land hinzuweisen.

Das Problem ist, dass die Taliban nicht paktfähig sind - und zum Leidwesen Washingtons nicht einmal vorgeben, künftig einen friedlichen Weg einschlagen zu wollen. Ihr Ziel ist und bleibt die Erringung der Kontrolle über ganz Afghanistan. Ein Ziel, das sie in den 90er--Jahren bereits erreicht hatten. Das damalige Steinzeitregime terrorisierte die eigene Bevölkerung und bot Osama bin Laden Unterschlupf, der 9/11 einen beispiellosen Angriff auf die USA startete.

Die afghanische Armee ist nur auf dem Papier eine starke Streitmacht. Ohne die Hilfe internationaler Berater und Soldaten könnte sie den Taliban nicht lange standhalten, davon sind die meisten Experten überzeugt. Es ist trotz starker internationaler Präsenz nicht gelungen, in Afghanistan Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Wohlstand zu etablieren. Einige Projekte waren zwar erfolgreich, sollten die internationalen Kräfte das Land verlassen, wären auch diese Erfolge früher oder später Geschichte.

Die Angst, dass Afghanistan wieder zur Basis für Terrorangriffe auf die USA wird, ist groß. Es ist der einzige Grund, warum Washington noch zögert, sofort alle Streitkräfte abzuziehen.