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Japans Politelite bleibt unter sich

Von Klaus Huhold

Politik

Die LDP dominiert seit Jahrzehnten Japans Politik. Der Kampf um die Nachfolge von Premier Shinzo Abe zeigt, wie die Partei funktioniert.


Tokio. Yoshihide Suga kam von unten - und könnte in Japan bald ganz oben stehen. Der Sohn eines Erdbeerbauern verdiente sich sein Jusstudium, indem er in einer Kartonfabrik arbeitete. Innerhalb der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) musste er sich hochdienen, in den Wahlkämpfen von Tür zu Tür gehen, sich ein Netzwerk aufbauen - andere wie der nun wegen Gesundheitsproblemen scheidende Premier Shinzo Abe, der aus einer Politdynastie stammt und in die Partei sozusagen hineingeboren wurde, hatten es da leichter. Mittlerweile ist Suga aber im Establishment angekommen. Am Montag dürfte der 71-Jährige der Nachfolger von Abe an der Spitze der LDP und damit Japans nächster Premier werden.

Suga muss bei der Wahl gegen Ex-Verteidigungsminister Shigeru Ishiba und Ex-Außenminister Fumio Kishida antreten - und er gilt deshalb als Favorit, weil er "innerhalb der Parteieliten die breiteste Unterstützung hat", erklärt der Japanologe Hanno Jentzsch vom Institut für Ostasienwissenschaften der Universität Wien. Den neuen Vorsitzenden wählen nämlich lediglich die 394 Abgeordneten und jeweils drei Vertreter der jeweiligen Regionalvertretungen. Die unteren Ränge haben somit kaum etwas mitzureden.

Persönliche Netzwerke und keine ideologischen Bande

Offiziell begründet wird dies damit, dass man in Zeiten von Corona Machtkämpfe vermeiden wolle. Inoffiziell wird gemunkelt, dass somit der beim Parteivolk beliebte Ishiba besser in Schach gehalten werden kann - zumal dieser auch als Gegner des noch immer äußerst einflussreichen Abe gilt.

Der Vorgang zeigt anschaulich, wie die LDP funktioniert: In ihr bilden verschiedene Abgeordnetengruppen Fraktionen und diese machen sich dann aus, wer das Sagen hat. "Diese Fraktionen haben aber keine ideologischen oder politisch-programmatischen Grundlagen, sondern sie bilden und finden sich aufgrund von innerparteilichen Machtverhältnissen", sagt Jentzsch im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Und wer die LDP regiert, regiert in der Regel Japan. Seit 1955 führt die Großpartei die drittgrößte globale Wirtschaftsmacht an - nur zwei Perioden in den Jahren 1993 bis 1994 und 2009 bis 2012 bildeten eine Ausnahme.

Bis in die 1990er Jahre hinein spielte der Regierungspartei das Wahlsystem in die Hände. Mittlerweile gab es aber eine Wahlrechtsreform. Nun profitiert die LDP laut Jentzsch von einer schwachen und zersplitterten Opposition. Abe, der 2012 an die Macht kam, hat dabei auch taktisch geschickt agiert: Immer dann, wenn die politischen Gegner besonders schwach waren, rief er Neuwahlen aus. Diese gewann die LDP - allerdings stets bei einer geringen Wahlbeteiligung. Es ist also nicht so, dass die LDP die Bürger begeistern kann, aber sie steht für Stabilität und Sicherheit. "Und wenn es keine attraktive Alternative gibt, ist die die LDP immer noch da", sagt Jentzsch.

Derzeit regiert die LDP mit dem kleinen Koalitionspartner Komeito. Suga hat bisher als Kabinettschef die Koalitionsrädchen am Laufen gehalten. Er steht also für Kontinuität und hat bereits angekündigt, dass er, sollte er die Wahl gewinnen, Abes Politik forstsetzen möchte.

Auch und gerade in Zeiten der Corona-Krise und dem damit einhergehenden Wirtschaftseinbruch wird die LDP damit auf Abenomics - also auf Konjunkturprogramme, eine lockere Geldpolitik und Deregulierungen - setzen. Ideologisch wird Suga den rechtsnationalen Kurs Abes fortführen und die pazifistische Nachkriegsverfassung in Frage stellen.

Darüber hinaus spricht einiges dafür, dass bald Neuwahlen anstehen. Mit einem Wahlsieg würde Abes Nachfolger seine Position innerhalb der LDP stärken. Und der Zeitpunkt für einen Urnengang scheint günstig: Die Opposition hat sich zwar nun wieder zu einem Bündnis zusammengeschlossen, muss sich aber erst formieren. Je früher gewählt wird, desto schwächer ist sie.