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"Chinas Passagierflieger haben die Welt infiziert"

Von Michael Schmölzer

Politik

In einer betont aggressiven Video-Rede vor der UN-Generalversammlung deckte US-Präsident Donald Trump Peking mit Schlägen ein. Chinas Staatschef Xi setzt in seiner Rede dagegen auf Ausgleich.


Vor 75 Jahren wurden die Vereinten Nationen gegründet, am Dienstag hätte eine festliche Generalversammlung zum Jubiläum stattfinden sollen. Doch die Corona-Pandemie machte dem einen Strich durch die Rechnung. Die Reden der Staats- und Regierungschefs, die nicht nach New York kamen, wurden auf Video aufgenommen und abgespielt.

Die Ansprache von US-Präsident Donald Trump war um einiges aggressiver als im vergangenen Jahr, als er im Plenarsaal sichtlich um Zurückhaltung bemüht war. Doch hat Trump in wenigen Wochen eine Wahl zu schlagen, entsprechend deftig teilte der Republikaner aus. Zunächst lobte er die umfangreichen Maßnehmen, die seine Administration bei der Bekämpfung des "Chinavirus" gesetzt habe. Das Land sehe einer "leuchtenden Zukunft" entgegen, demnächst werde es einen Impfstoff geben.

Der Schuldige an der Ausbreitung des Coronavirus war für Trump, der die Rede im Weißen Haus aufzeichnen ließ, rasch gefunden. "China hat alle Flüge innerhalb des eigenen Landes unterbunden, Maschinen konnten China aber verlassen und damit die Welt infizieren", so der US-Präsident. Zudem habe China durch das bewusste Verbreiten von Falschinformationen dafür gesorgt, dass das Virus nur ungenügend bekämpft werden konnte. Die UNO müsse China zur Verantwortung ziehen.

Der US-Präsident steht in seiner Heimat massiv in der Kritik, Gegner werfen Trump angesichts von mittlerweile mehr als 200.000 Toten mangelhaftes Management der Krise vor. Mit seiner Rede versuchte er nicht zum ersten Mal, seinen Anhängern einen Schuldigen zu präsentieren. Und Trump legte nach: China sei nicht am Erhalt der Umwelt interessiert, es gehe Peking in erster Linie darum, die USA zu bestrafen.

Die USA, so Trump, wären heute "stärker als je zuvor". Man habe weltweit das stärkste Militär und er bete dafür, dass er die Waffen nie einsetzen werden müssen. Auch habe man die Nato-Partner dazu gebracht, dass sie einen gerechten Anteil der Kosten des Bündnisses übernehmen. Der IS-Terrorstaat sei zerstört und dessen Anführer Al Bagdadi von den USA getötet worden, so Trump. Mit der Versöhnung zwischen Israel, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain habe man Frieden geschaffen.

Xi gegen die Politisierung der Corona-Pandemie

Einen regelrechten Kontrapunkt zu Trump stellte dann auch der Videobeitrag des chinesischen Staats- und Parteichefs Xi Jinping dar, der nur kurz danach ausgestrahlt wurde. Alle Versuche, die Pandemie "zu politisieren oder zu brandmarken, sollten vermieden werden", sagte Xi. Vielmehr sollte die Welt solidarisch im Kampf gegen die Pandemie zusammenstehen. "Covid-19 erinnert uns daran, dass wir in einem miteinander verbundenen globalen Dorf mit gemeinsamen Interessen leben." Der chinesische Präsident zeigte sich zuversichtlich, dass die Pandemie bewältigt werden könne. "Wir werden die Schlacht gewinnen." Er beteuerte, dass China "umfassende Bemühungen unternommen hat, um die Verbreitung des Virus zu stoppen".

"Wir sollen uns gegen Unilateralismus aussprechen"

Xi plädierte auch für den Zusammenhalt des multilateralen Handelssystems. Alle sollten zusammenarbeiten, eine reibungslose Funktion der globalen Lieferketten sicherzustellen. "Wir sollen uns gegen Unilateralismus und Protektionismus aussprechen", sagte Xi Jinping, ohne die USA oder US-Präsident Donald Trump direkt zu nennen. Die Weltordnung mit den Vereinten Nationen in der Mitte müsse gewahrt bleiben. China habe friedliche Absichten und werde niemals Vorherrschaft suchen. "Wir haben nicht die Absicht, einen Kalten Krieg oder einen richtigen Krieg zu kämpfen", sagte Xi.

"Bewegen uns in eine gefährliche Richtung"

Zum Auftakt der Generaldebatte am Dienstag hatte bereits UNO-Chef António Guterres vor einem "Kalten Krieg" zwischen den USA und China gewarnt. "Wir bewegen uns in eine sehr gefährliche Richtung. Unsere Welt kann sich keine Zukunft leisten, in der die beiden größten Volkswirtschaften die Erde spalten", sagte Guterres. Dies würde eine technologische und wirtschaftliche Kluft entstehen lassen, die sich zu einer militärischen Kluft ausweiten könnte.