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Hongkongs Kampf für Demokratie wird aussichtsloser

Von Klaus Huhold

Politik

Dem prominenten Aktivisten Joshua Wong und zwei Mitstreitern droht jahrelange Haft. Die Hongkonger Demokratiebewegung will nicht aufgeben, doch ist sie zunehmend wehrlos gegen die Pekinger Übermacht.


Es könnte für längere Zeit einer seiner letzten öffentlichen Auftritte gewesen sein. Umringt von Reportern musste am Montag Joshua Wong, der wohl prominenteste Demokratieaktivist Hongkongs, gemeinsam mit seinen Mitstreitern Ivan Lam und Agnes Chow vor Gericht erscheinen. Und das Gericht ordnete gleich einmal an, dass die Aktivisten bis zum Ende des Prozesses, der bis Mittwoch kommender Woche anberaumt ist, in Haft bleiben müssen.

Zum Auftakt der Verhandlung am Montag hatte sich Wong schuldig bekannt, einen unerlaubten Protest organisiert zu haben. Dafür könnten ihm und seinen Mitstreitern bis zu fünf Jahren Gefängnis drohen. Bereits kurz vor Beginn der Verhandlung hatte Wong seinen Plan angekündigt, sich schuldig zu bekennen und eine unmittelbare Gefängnisstrafe in Kauf zu nehmen. Auch Ivan Lam wollte sich schuldig bekennen, Agnes Chow hatte dies schon zuvor gemacht.

Die KP bestimmt über die Opposition im Parlament

Er hoffe, dass dadurch die Aufmerksamkeit auf das Hongkonger Justizwesen gelenkt werde, das von Peking manipuliert werde, sagte Wong, der bereits drei Mal im Gefängnis war. "Wir werden weiter für die Freiheit kämpfen, und jetzt ist nicht Zeit für uns, vor Peking zu kuschen und aufzugeben", betonte der 24-Jährige.

Seine Taktik ist aber durchaus riskant: Zwar wäre der internationale Aufschrei bei einer Verurteilung Wongs sicher lautstark, aber danach droht dieser in der Versenkung zu verschwinden. Dabei kann kaum jemand so viel internationale Aufmerksamkeit für Hongkongs Demokratiebewegung erzeugen wie Wong, der schon als Schüler politisch engagiert war. Er ist bestens vernetzt, wird immer wieder von internationalen Medien kontaktiert und hat auf dem Kurznachrichtendienst Twitter mehr als 733.000 Follower.

Allerdings ist ohnehin fraglich, wie sehr das Gericht das Schuldbekenntnis von Wong in seinem Urteil berücksichtigt. Wie überhaupt derzeit guter Rat teuer für die Demokratiebewegung ist. Denn Chinas Kommunistische Partei untergräbt zusehends die Sonderrechte, die der Finanzmetropole unter dem Motto "Ein Staat - zwei Systeme" zugesichert wurden. Immer wehrloser stehen die Hongkonger Aktivisten der Pekinger Übermacht gegenüber.

So wurden erst vor rund einer Woche vier prodemokratische Abgeordnete aus dem Hongkonger Parlament, dem Legislativrat, entfernt. Grundlage dafür war ein Beschluss des Ständigen Aussschusses des Nationalen Volkskongresses in Peking, dass Abgeordnete ohne Gerichtsbeschluss ausgeschlossen werden können, wenn sie gegen das Sicherheitsgesetz verstoßen.

Dieses wurde im Juni beschlossen und stellt Bürger unter Strafe, die etwa die nationale Sicherheit gefährden, die Souveränität Pekings über Hongkong nicht anerkennen oder internationale Akteure auffordern, sich in interne Angelegenheiten einzumischen. Das sind sehr dehnbare Formulierungen, die Tür und Tor für eine Vielzahl von Anklagen öffnen.

Formal steht Peking laut Juristen das Recht zu, solcherart über den Hongkonger Legislativrat zu bestimmen. Das ändert aber nichts daran, dass das Abgeordnetenhaus so zu einem Scheinparlament verkommt, klagt die Demokratiebewegung.

Der Legislativrat wird ohnehin nur teilweise in freien Wahlen ermittelt, die Hälfte der 70 Vertreter wird von Interessensgruppen, die zumeist Peking nahestehen, bestimmt. Die demokratischen Abgeordneten waren schon zuvor in der Minderheit und haben ihrerseits immer wieder versucht, mit nicht unumstrittenen Aktionen den Legislativrat zu lähmen. So hielten sie etwa Dauerreden, zudem haben drei demokratische Abgeordnete im Frühjahr gar stinkende Flüssigkeit im Raum verteilt, um für Unterbrechungen zu sorgen.

Nach dem jüngsten Ausschluss der vier prodemokratischen Abgeordneten haben auch die 15 verbliebenen Mitglieder des demokratischen Parteienbündnisses ihren Rücktritt angekündigt. Das ist einerseits nach dem Angriff Pekings auf den Legislativrat folgerichtig. Andererseits geht damit der Demokratiebewegung eine weitere Bühne verloren.

Zumal derzeit nicht mit großen Straßenprotesten gerechnet werden kann. Diese hat nicht nur die Corona-Pandemie lahmgelegt, sondern vor allem auch das Sicherheitsgesetz. Vertreter der Demokratiebewegung fürchten nun eine harsche Verfolgung durch die Behörden. Warnende Beispiel gibt es schon genug.

So hat die chinesische Küstenwache Ende August zwölf Aktivisten festgesetzt, die nach Taiwan fliehen wollten und von denen die meisten wegen prodemokratischer Proteste bereits strafrechtlich verfolgt werden. Die Aktivisten sind nun in Festlandchina inhaftiert. Erst vor kurzem haben ihre Angehörigen Luftballone aufsteigen lassen, um an sie zu erinnern.

Auch international kämpft Peking mit harten Bandagen

Auch wenn in Hongkong laut Umfragen eine Mehrheit der Bürger das Sicherheitsgesetz ablehnt - in der Volksrepublik steht laut Beobachtern ein Großteil der Bürger hinter dem Vorgehen der Partei. International bekommen die Demokraten zwar eine gewisse Unterstützung - am stärksten aus den USA, die wirtschaftliche Sonderrechte ausgesetzt und Funktionäre auf die Sanktionsliste gesetzt haben. Doch all das beeinflusst Peking wohl wenig. Erstens wird Hongkong für China wirtschaftlicher immer unwichtiger, zweitens betrachtet die KP die Hongkong-Frage als eine der nationalen Souveränität.

Doch mittlerweile lassen sich Chinas Machthaber nicht nur nichts sagen, sie gehen auch selbst international in die Offensive. Zu spüren bekommen hat das zuletzt Australien, dem Peking vorwirft, Teil einer internationalen Kampagne mit China-kritischen Positionen, unter anderem zu Hongkong, zu sein. So hat Chinas Botschaft in Canberra nun eine Liste mit 14 Punkten präsentiert, die die KP besonders stören. Darunter fallen auch bestimmte Medienberichte über China oder Äußerungen einzelner Parlamentarier.

Auch wenn sich in Australiens Politik und Medien eine einheitliche Front gegen Chinas Vorgehen gebildet hat, ist die Lage für das Land heikel. Denn fast die Hälfte der Exporte gehen nach China und Peking ist bereit, mögliche Einfuhrbeschränkungen als Druckmittel einzusetzen.

Das Beispiel zeigt, wie sehr China mit seinem wirtschaftlichen Aufschwung international selbstbewusster auftritt. Auch das macht die Lage für die Hongkonger Demokratiebewegung aussichtsloser.