Zum Hauptinhalt springen

Trump legte Verwundbarkeit der Demokratie offen

Von Klaus Huhold

Politik

Die Grenzüberschreitungen von Trump haben gezeigt, dass ein Staat ins Wanken gerät, wenn informelle Regeln gebrochen werden.


Am Ende war es dann doch die eine Grenzüberschreitung zu viel: Das Aufwiegeln seiner treuesten Fans bis hin zum Sturm auf das Kapitol hat Donald Trump wesentlich mehr geschadet als genutzt. Nicht nur hat er das internationale Ansehen der US-Demokratie enorm ramponiert. Er selbst hat sich dadurch auch bei vielen republikanischen Angeordneten - aber bei weitem nicht bei allen - unmöglich gemacht.

Trotzdem: Die Reise habe gerade erst begonnen, sagte Trump am Freitag in dem Video, in dem er den Sturm erstmals verurteilte. Wenn er das ernst meint, will er mit seinem Clan weiter in der Politik bleiben. Wie erfolgreich er dabei sein wird, steht in den Sternen. Solange nicht eine etwaige Gerichtsverurteilung seine politische Karriere beendet, sollte man ihn wohl besser nicht ganz abschreiben - das Unterschätzen von Trump haben dessen Gegner schon bei der Präsidentenwahl 2016 bitter bezahlen müssen. Und auch wenn Trump persönlich nicht mehr mitmischt, wird wohl seine Art Politik zu machen, Nachahmer finden, denn sie war lange Zeit sehr erfolgreich. Ein herausstechendes Merkmal dabei war die permanente Grenzüberschreitung, die auch ein Erbe von ihm sein dürfte.

Diese zeigte sich etwa beim ständigen Generalangriff auf Medien, die seine Meinung nicht teilten - wobei manche Medien es ihm auch leicht machten, indem sie jede politische Idee ablehnten, sobald sie von Trump kam. Diese Grenzüberschreitung zeigte sich in der Verachtung des politischen Gegners - nie hat Trump, der Präsident aller US-Amerikaner sein sollte, auch nur versucht, einen Funken Verständnis für die Black-Lives-Matter-Bewegung aufzubringen, seine Gegner hat er ständig verhöhnt, etwa Joe Biden als "Sleepy Joe".

Trumps Verhalten rund um die Präsidentenwahl hat noch einmal verdeutlicht, was seine Apologeten gerne als Alarmismus abgetan haben: Er hat die Demokratie unterminiert - sein kaum klausulierter Aufruf zum Sturm auf das Kapitol war dabei nur der letzte Höhepunkt. Dabei zeigte sich erneut, dass Demokratie nur funktioniert, wenn die Elite auch gewisse informelle Regeln akzeptiert.

Trump verweigert Teilnahme an Bidens Amtseinführung

Und bis heute bricht Trump diese: Auch wenn er nun von einer friedlichen Übergabe spricht, hat er auch nach der Bestätigung von Bidens Wahlerfolg durch den Kongress diesem nicht zum Sieg gratuliert. Trumps Aussagen bleiben doppelbödig.

Und nicht nur das: Der noch amtierende US-Präsident will nicht an der feierlichen Amtseinführung seines Nachfolgers am 20. Jänner teilnehmen. Das erklärte Trump am Freitag über Twitter. Er wäre damit der erste Präsident seit Andrew Johnson im Jahr 1869, der nicht der Vereidigung seines Nachfolgers beiwohnt. Das ist keine Kleinigkeit: Trump bricht ein Ritual, das für den Zusammenhalt der USA große Bedeutung hat. Nun bleibt auch symbolisch die Mär vom gestohlenen Sieg erhalten. Dabei ist es für die Stabilität einer Demokratie enorm wichtig, dass auch der Verlierer dem Gewinner die Hand reicht.

Die Institutionen der USA haben dem Ansturm standgehalten - trotzdem hat Trump zu Bewusstsein gebracht, wie verwundbar die Demokratie ist, indem er Entwicklungen auf die Spitze trieb, die schon vorher da waren. Nun ist der Geist aus der Flasche: Es ist nicht zu erwarten, dass sich ähnlich gestrickte Politiker wie Brasiliens rechtsradikaler Präsident Jair Bolsonaro in Zukunft anders verhalten. In Europa zählt etwa Ungarns Premier Viktor Orban zu den Anhängern Trumps. Und selbst nach dem Sturm auf das Kapitol behauptete der republikanische Abgeordnete Matt Gaetz, linke Antifa-Aktivisten hätten das Parlament gestürmt. Das sind ganz im Stile Trumps Fake News.