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"Sputnik V" als Retter in der Not?

Von Ronald Schönhuber

Politik

Nach der umstrittenen Blitzzulassung nimmt die Skepsis gegenüber dem russischen Vakzin ab. In der EU will aber nur Ungarn damit impfen.


Moskau. Der Start ist trotz des klingenden Namens nicht gerade gut verlaufen. Denn dass Russland seinen vom staatlichen Gamaleja-Institut entwickelten Corona-Impfstoff "Sputnik V" bereits am 11. August zugelassen hat, wurde in den westlichen Ländern vor allem als gefährlicher PR-Stunt des Kreml gedeutet: Das auf einem Adenovirus basierende Vektor-Vakzin war erst zwei Monate zuvor erstmals an Menschen getestet worden, Daten zu der wichtigen Phase-III-Studie mit zehntausenden Probanden, die die europäische Arzneimittelbehörde EMA als zentrales Zulassungskriterium betrachtet, lagen nicht einmal noch ansatzweise vor.

Doch mittlerweile scheint sich der Wind ein Stück weit gedreht zu haben. Denn seit Mitte November liegen die Zwischenergebnisse einer klinischen Studie mit knapp 16.000 Teilnehmern vor, die "Sputnik V" nach der Verabreichung einer zweiten Dosis einen ebenso hohen Schutzfaktor bescheinigen wie den mRNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna. So beträgt die Wirksamkeit des russischen Impfstoffes laut dem Gamaleja-Institut 95 Prozent, bei den Mitte Dezember und Anfang Jänner in der EU zugelassenen Vakzinen der westlichen Pharmafirmen sind es 95 beziehungsweise 94,5 Prozent.

Bestellungen aus aller Welt

Entsprechend kleiner scheint auch die Skepsis im Westen zu werden. Zwar monieren viele Wissenschafter die im Vergleich nach wie vor deutlich geringere Datenbasis, aber die fast schon kategorische Ablehnung des Sommers ist verschwunden. "Ich denke, die Zahlen sind jetzt signifikant und glaubwürdig", wird etwa Ian Jones, Virologe an der Universität Reading, im Wissenschaftsmagazin "Science" zitiert.

Geringer werden die Zweifel freilich auch durch die mittlerweile sehr breite Ausrollung von "Sputnik V". So sind in Russland bereits mehr als 1,5 Millionen Menschen damit geimpft worden, und auch in Argentinien, Bolivien, Serbien und Venezuela kommt das Präparat des Gamaleja-Instituts bereits weitflächig zum Einsatz.

Großbestellungen haben zudem auch schon Mexiko, Malaysia und das EU-Mitglied Ungarn aufgegeben. Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto unterschrieb am vergangenen Freitag in Moskau einen Liefervertrag über zwei Millionen Dosen in drei Tranchen. Die bei vielen Ungarn umstrittene Entscheidung rechtfertigte Premierminister Viktor Orban vor allem damit, dass die im Kampf gegen die Pandemie nötigen Massenimpfungen nur dann möglich seien, wenn mehrere Impfstoffe zugelassen sind.

Als Möglichkeit, die Lieferschwierigkeiten anderer Hersteller wie AstraZeneca zu kompensieren, wird "Sputnik V" derzeit in der EU dennoch nicht gesehen. So will außer Ungarn kein weiterer Staat dem russischen Impfstoff vor der frühestens in einigen Monaten anstehenden EMA-Zulassung eine nationale Genehmigung erteilen.