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Fordernde Freundschaft: Blinken bei der Nato

Politik
Als Generalsekretär der Nato hatte Jens Stoltenberg 2017 Donald Trump empfangen. Mit Antony Blinken gibt es nun einen US-Außenminister, der das Verhältnis zur Nato wieder reparieren will.
© reuters

Bei seinem Antrittsbesuch im Nato-Hauptquartier macht der neue US-Außenminister Blinken klar, dass die USA das Verteidigungsbündnis als zentralen Pfeiler sehen. Über die Konflikte in der Nato kann das aber nicht hinwegtäuschen.


Der 25. Mai 2017 dürfte nicht nur für die unmittelbar Anwesenden ein Tag gewesen sein, den man wohl sein ganzes Leben nicht mehr vergisst. Damals hatte Donald Trump den wichtigsten Politikern der Nato vor der Kulisse des funkelnagelneuen Brüsseler Hauptquartiers eine Standpauke gehalten, die die schlimmsten Befürchtungen noch einmal übertroffen hatte. Mit grimmiger Miene forderte der neue Mann im Weißen Haus die anderen Mitgliedsstaaten auf, endlich mehr Geld in ihre Verteidigungsbudgets zu stecken, ein Bekenntnis zur vorher von ihm als "obsolet" bezeichneten Militärallianz und zu der gegenseitigen Beistandspflicht nach Artikel 5 kam Trump dagegen nicht einmal ansatzweise über die Lippen.

Entsprechend hoch sind in der Nato daher auch die Erwartungen an Joe Biden, der Trump vor knapp zwei Monaten als US-Präsident abgelöst hat. Schließlich hatte der Demokrat bereits im Wahlkampf eine Renaissance der zerrütteten transatlantischen Partnerschaft und eine Stärkung der Nato in Aussicht gestellt. Statt egozentrischer Alleingänge sollte es wieder Diplomatie und multilaterale Lösungsbemühungen geben.

Und zumindest im Ton dürfte der neue US-Außenminister Antony Blinken bei seinem Besuch im Nato-Hauptquartier die großen Hoffnungen der europäischen Bündnispartner nicht enttäuscht haben. "Ich bin hergekommen, um das unerschütterliche Bekenntnis der USA (zur Nato) auszudrücken", erklärte Blinken am Dienstag beim Außenministertreffen der 30 Länder zählenden Verteidigungsallianz. "Die Vereinigten Staaten wollen dieses Bündnis wiederbeleben."

Russland und China als Gegner

Keinen Zweifel ließ Blinken in Brüssel daran, wen die USA als Gegner der Nato betrachten. Angesichts der militärischen Aufstiegs Chinas und der russischen Versuche, den Westen zu destabilisieren, sei es unumgänglich, dass die Nato-Staaten zusammenrückten, betonte der US-Chefdiplomat beim ersten physischen Treffen der Außenminister seit Ende 2019. Erst am Montag hatten die USA, Großbritannien, Kanada und die EU wegen Pekings Umgang mit der muslimischen Minderheit der Uiguren Strafmaßnahmen verhängt, die Volksrepublik reagierte am Tag darauf mit Gegensanktionen und der Einbestellung von Botschaftern.

Das zweitägige Treffen, bei dem auch die Lage in Afghanistan und die Modernisierungsoptionen der Nato zur Sprache kommen sollten, war trotz des vielerorts sichtlichen Bemühens aber längst nicht nur von Einigkeit geprägt. Nach wie vor ungelöst ist etwa, wie die Allianz künftig mit der Türkei umgehen will. So verfügt das 1952 beigetretene Land nicht nur über die größte Nato-Armee nach den USA, mit dem Luftwaffenstützpunkt Incirlik ist es auch als Operationsbasis von enormer strategischer Bedeutung für die Allianz. Mit dem Kauf von russischen S-400-Luftabwehrraketen, der Offensive gegen die von den USA unterstützten kurdischen Rebellen in Syrien und dem Erdgasstreit mit Griechenland hat die Türkei sich in den vergangenen Jahren aber immer wieder den Unmut der anderen Nato-Partner zugezogen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte angesichts des von unterschiedlichen Eigeninteressen getriebenen Vorgehens im syrischen Bürgerkrieg sogar vom "Hirntod" der Nato gesprochen.

Konflikt um Nord Stream 2

Doch nicht nur mit der Türkei, die der US-Außenminister am Dienstag als "langjährige und wertvolle Verbündete" würdigte, gibt es handfeste Konflikte. Blinken nutzte den Auftaktbesuch in Brüssel auch für erneute Kritik am Pipeline-Projekt Nord Stream 2, das nach seiner Fertigstellung Deutschland mit russischem Erdgas versorgen soll. Präsident Biden habe klargemacht, dass die Pipeline "eine schlechte Idee" sei, sagte Blinken am Dienstag. "Schlecht für Europa, schlecht für die Vereinigten Staaten."

Blinken, der das von der OMV mitfinanzierte Projekt als Gefahr für die energiepolitische Unabhängigkeit Deutschlands sieht, hatte schon vergangene Woche den "sofortigen" Stopp am Bau der bereits zu 95 Prozent fertiggestellten Pipeline gefordert und mit weiteren Sanktionen gedroht. Pipeline-Befürworter werfen den USA dagegen vor, nur ihr Flüssiggas in Europa besser verkaufen zu wollen.(rs)