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US-Polizei: Schlecht bezahlt und schlecht ausgebildet

Von Konstanze Walther

Politik
Black-Lives- Matter-Proteste dominierten nach Floyds Tod regelmäßig das Straßenbild in den USA.
© reuters / O. Jones

George Floyds gewaltsamer Tod wirft ein Schlaglicht auf den Zustand des Berufsstands in Blau.


Polizist in den USA zu sein, ist nicht der attraktivste Job der Welt. Das Einkommen variiert zwar stark nach Bundesstaat und Lebenshaltungskosten, aber insgesamt bewegt es sich mit 67.600 Dollar im Jahr nur knapp über dem nationalen Durchschnitt (51.916 Dollar).

Dabei ist es sogar nur in 16 Bundesstaaten höher als das Durchschnittseinkommen - in der Mehrzahl der Fälle verdienen Polizisten noch weniger als der Durchschnitt der arbeitenden US-Bevölkerung. Damit ist das Risiko in den USA, auf der Straße zu sein, finanziell kaum abgegolten.

Gedeckt durch den berühmten zweiten Zusatzartikel der US-Verfassung, steht es praktisch jedem Bürger frei, Waffen zu besitzen. Mit dem Resultat, dass es nirgendwo sonst auf der Welt so viele Faustfeuerwaffen in der Zivilbevölkerung gibt. Auf 100 Zivilisten in den Vereinigten Staaten kommen Schätzungen zufolge 120 Faustfeuerwaffen. Natürlich sind die nicht alle gleich verteilt. In der Mitte der USA sowie im Süden und in Alaska ist das Aufkommen von Waffen daheim deutlich höher als in den Küstenstaaten.

In Minnesota, dem Bundesstaat, in dem George Floyd im Mai 2020 gewaltsam ums Leben kam, haben 43 Prozent der Haushalte eine Waffe. Der Afroamerikaner Floyd hatte jedenfalls zu dem Zeitpunkt, als vier Polizisten ihn aus dem Auto zerrten und am Boden fixierten (wegen des Verdachts auf Bezahlen mit gefälschtem 20-Dollar-Schein), keine Waffe bei sich.

Mehr als acht Minuten wurde Floyd vom weißen Hauptangeklagten, dem Polizisten Derek Chauvin, mit dem Knie auf den Boden gedrückt. Chauvin ist unter anderem des Mordes zweiten Grades angeklagt. In Minnesota bedeutet dies die absichtliche Tötung, aber ohne vorsätzliche Planung. Ein Paragraf, der normalerweise bei den "Drive-By-Shootings" verwendet wird, wenn wahllos in Menschenmengen geschossen wird. Darauf stehen bis zu 40 Jahre Gefängnis; er ist aber auch des Mordes dritten Grades angeklagt, was in etwa Totschlag unter besonders gefährlichen Verhältnissen entspricht; darauf stehen 25 Jahre Haft.

Chauvins Verteidigung wird ins Treffen führen, dass Floyd Vorerkrankungen hatte und unter dem Einfluss von illegalen Substanzen stand - nur deswegen wäre der auf Handykameras gut dokumentierte Polizeieinsatz tödlich ausgegangen.

Ob das der Jury als Erklärung für das Verhalten Chauvins reicht, minutenlang einen Mann am Hals zu fixieren, der überdies in Handschellen liegt, und um sein Leben bettelt ("I can’t breathe"), wird sich weisen. Die Verhandlung begann am Montag in Minneapolis, nachdem die Auswahl der Geschworenen beendet wurde.

Reflexhafter Einsatz von tödlichen Waffen

Afroamerikaner sterben überproportional häufiger durch Polizeigewalt, sie werden viel häufiger angehalten und auf Verdacht durchsucht, sie werden daheim in ihrem Bett bei einer Razzia gegen jemanden Dritten erschossen (Breonna Taylor, März 2020). Sie werden bei Joggen am helllichten Tag erschossen (Ahmaud Arbery, Februar 2020), oder sie laufen Gefahr, dass ihre psychische Erkrankung von den Polizisten falsch eingeschätzt wird und sie so fixiert werden, dass sie an Erstickung sterben (Daniel Prude, September 2021).

Kurzum: Die US-Polizei krankt an strukturellem Rassismus und schlechter Ausbildung. Es sind zudem Menschen, die sich in einer Welt bewegen, in der der Staat über Sozialarbeit und Wohlfahrt kaum vorhanden ist. Die Rechtsprofessorin Rosa Brooks hat etwa einige Jahre nebenberuflich als Polizistin in Washington D.C. gearbeitet. In ihrem neuen Buch "Tangled Up in Blue: Policing the American City" beschreibt sie ihre Erfahrungen aus den von Armut durchseuchten Bezirken folgendermaßen: "Wenn andere sozialen Güter und Services nicht vorhanden sind, wird die Polizei zur Standardlösung für schier unglaublich viele verschiedene Probleme." Das fördere die Verhärtung und den Zynismus unter den Beamten, einer ihrer Kollegen nannte die Bewohner eines Armenviertels "Tiere".

Während der Ausbildung hätten ihre Kameraden vor allem jene Lehr-Videos aufgesogen, in denen Polizisten eine Unachtsamkeit mit dem Leben bezahlten. Ihre Kollegen waren immer davon überzeugt, dass eine Frau nicht nach der Geldbörse greift, sondern nach einer Pistole, oder ein Mann sie anspringt, wenn sie ihn nicht fixieren. "Ihnen wird gesagt, sie haben ,ein Recht, sicher nach Hause zu kommen‘. Zu oft vergessen sie, dass andere Menschen dieses Recht ebenfalls besitzen", schreibt Brooks.

Die Administration von Joe Biden will nach den "Black Lives Matter"-Protesten, die nach dem Tod Floyds wieder zugenommen haben, die Polizeibehörden einer strengeren Kontrolle unterstellen. Auch sollen Polizisten leichter strafrechtlich verfolgt werden können.