Ramallah. Alt, autoritär und korrupt: So sehen viele Palästinenser im Westjordanland die regierende Autonomiebehörde, die von Präsident Mahmoud Abbas geführt wird. Abbas, auch Abu Mazen genannt, ist seit 2005 an der Macht, seine Amtszeit endete eigentlich schon 2009. Seitdem regiert der mittlerweile 85-Jährige ohne Legitimation. Meinungs- und Pressefreiheit werden regelmäßig eingeschränkt, viele Menschen wünschen sich schon deshalb, dass jetzt Jüngere das Ruder übernehmen. Die Forderungen nach neuen Gesichtern, nach einem Demokratie-Schub sind laut, viele wollen endlich ein demokratisch legitimiertes Parlament und eine neue Regierung, die die Sache der Palästinenser besser voranbringt.

Es besteht zumindest die Aussicht darauf, dass sich hier bald etwas tut. Am 22. Mai könnte es in den Palästinensergebieten Parlamentswahlen, im Juli Präsidentschaftswahlen geben. Zuletzt haben sich Vertreter der rivalisierenden Polit-Gruppierungen Fatah und Hamas getroffen und die Bedingungen, unter denen die Wahlen ablaufen sollen, besprochen. Es gibt einen aus 25 Punkten bestehenden Verhaltenskodex, der u. a. ein Waffenverbot rund um die Wahllokale vorsieht. Auch verpflichten sich beide Seiten, das Ergebnis anzuerkennen.

Die Fraktionen haben allen Grund, einander zu misstrauen. Die radikalislamische Hamas hatte die letzte Parlamentswahl 2006 überraschend gewonnen, die gemäßigte Fatah, der auch Abbas angehört, erkannte den Sieg aber nicht an. Schließlich kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen, 2007 errang die Hamas, die von Israel als Terrororganisation angesehen wird, die Kontrolle über den Gazastreifen. Zahlreiche Gemäßigte wurden vertrieben.

Die Fatah kontrolliert das flächenmäßig größere Westjordanland. Alle Bemühungen, mit der Hamas auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, sind danach gescheitert. Seit einiger Zeit stehen die Zeichen aber auf Annäherung. Dass man sich sogar auf einen Wahltermin und Regeln für den Ablauf einigen konnte, ist ein weiterer Hinweis darauf.

Ob der in die Jahre gekommene Abbas erneut für die Präsidentschaftswahlen antritt, ist noch nicht bekannt. Den Umfragen zufolge liegt hier Hamas-Chef Ismail Haniye knapp voran.

Israel verhängte noch 2007 eine Blockade über den Gazastreifen. Seither haben die Al-Aksa-Brigaden - der bewaffnete Arm der Hamas - und Israel drei Kriege miteinander ausgefochten.

Ob die Wahlen tatsächlich über die Bühne gehen, ist noch nicht gewiss. Da ist zunächst einmal die Corona-Pandemie, die der Sache einen Strich durch die Rechnung machen könnte. Und in der Vergangenheit waren Wahlen öfters angekündigt worden, ohne dass es dann tatsächlich dazu gekommen wäre. Auch ist fraglich, ob Israel ein Votum im annektierten Ost-Jerusalem zulassen würde.

Neue Friedensgespräche?

Unterdessen fordert das Nahost-Quartett auch eine Wiederaufnahme von Gesprächen zur Beilegung des Konflikts zwischen Israel und Palästinensern. US-Präsident Joe Biden steht der israelischen Siedlungspolitik deutlich kritischer gegenüber als sein Vorgänger. In den Jahren der Trump-Präsidentschaft wurden die Friedensgespräche auf Eis gelegt.