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Tag der Urnen in den Anden

Von Konstanze Walther

Politik
Die Peruaner wählen aus 18 Kandidaten, die das Land aus der Krise führen wollen.
© Reuters / Sebastian Castaneda

Peru und Ecuador wählen am Sonntag einen neuen Präsidenten.


Grundsätzlich werden in Peru alle fünf Jahre ein neuer Präsident und ein neues Parlament gewählt. Doch die jüngste Legislaturperiode von 2016 bis 2021 sah aufgrund von Rücktritten und neuen Allianzen nicht weniger als vier Präsidenten. Zum Teil waren Korruptionsvorwürfe, zum Teil Machtgelüste für das Kommen und Gehen verantwortlich.

Der 2016 gewählte Präsident Pedro Pablo Kuczynski trat Anfang 2018 zurück, ihm wurden Schmiergeldzahlungen im Zuge der brasilianischen Odebrecht-Affäre vorgeworfen. Dann übernahm per Verfassung der erste Vizepräsident, Martin Vizcarra. Dem wurde seine Parteilosigkeit zum Verhängnis. Während er im Volk beliebt war, rumorte es im 130 Sitze zählenden Parlament. Im November 2020 wurde er des Amtes enthoben. Angeblich wegen Korruptionsvorwürfen.

Es übernahm der konservative Parlamentspräsident Manuel Merino. Es folgten Proteste auf den Straßen Perus gegen das aus Sicht des Volkes undemokratische Vorgehen des Parlaments. Merino ließ die Polizei hart durchgreifen, mindestens zwei Tote waren die Folge sowie dutzende bis heute Vermisste. Merino musste zurücktreten. Seitdem hält der ehemalige Weltbank-Mitarbeiter Francisco Sagasti die Stellung im Präsidentenpalast.

Dann kam noch das Impf-Gate ("Vacuna-Gate") dazu: Rund 500 Personen der peruanischen Polit-Elite (unter anderem Vizcarra und Sagasti, sowie Freunde und Verwandte) ließen sich Ende 2020 - an Wartelisten vorbei - gegen Covid-19 impfen. Obwohl auch in Peru eine gewisse Priorität bei den vulnerablen Bevölkerungsgruppen liegt und das Virus in dem Land entsetzlich wütet: Peru war Ende 2020 unter den Ländern mit der höchsten Sterblichkeitsrate.

Beinahe verzweifelte Wahlaufrufe

Es ist also keine Untertreibung zu sagen, die Peruaner sind so politikverdrossen wie noch nie. Trotzdem müssen die Wählerinnen und Wähler des Andenlands ihre Präferenz mitten in der Pandemie für ein neues Regierungsoberhaupt und Parlament abgeben. "Dies sind sehr wichtige Wahlen", sagte Interimspräsident Francisco Sagasti nach der Stimmabgabe. "Wir haben nicht nur das Privileg und das Recht, sondern auch die Pflicht, wählen zu gehen." Der Übergangspräsident tritt bei der Wahl nicht selbst an. "Ich glaube, es ist an der Zeit für einen Wechsel", sagte die linke Kandidatin Veronica Mendoza am Wahltag bei einem traditionellen Frühstück auf dem Hof ihres Vaters im Distrikt Andahuaylillas im Süden von Peru. "Ich bin guten Mutes", sagte die Kandidatin Keiko Fujimori vor dem Sitz ihrer Partei rechten Partei Fuerza Popular. Sie rief die Kandidaten dazu auf, das Wahlergebnis zu akzeptieren.

Fix ist: Es wird nicht bei einer Wahl bleiben. Mit 18 Kandidaten stehen viele Optionen zur Auswahl, selbst die Favoriten erreichen in den Prognosen kaum zweistellige Prozentbeträge. Die Peruaner geben sich in Umfragen mehrheitlich unentschlossen oder wollen gar weiß wählen (theoretisch herrscht Wahlpflicht in dem Land).

Das Thema, das auch in Peru den Wählern am meisten am Herzen liegt, ist die Covid-Pandemie. Doch die Gesundheitspläne aller Kandidaten sind dazu äußerst schwammig und vage.

Am Sonntag ist nun vor allem der Tag des Aussiebens: Die zwei Kandidaten, die die meisten Stimmen auf sich vereinen werden, dürfen dann bei der Stichwahl am 6. Juni gegeneinander antreten. Bisheriger Favorit ist der moderat linksgerichtete Populist Yonhi Lescano der Acción Popular (AP). Er hatte Anfang März schon mehr als 20 Prozent in den Umfragen, zuletzt ist er aber wieder auf knapp 15 Prozent gefallen. Mühlstein für den 62-Jährigen ist sein Parteikollege und Kurzzeit-Präsident Merino, dem die Peruaner den Umgang mit den Protesten nicht verziehen haben.

Auf den Fersen des ehemaligen Anwalts und Radiomoderators Lescano folgt mit knapp 14 Prozent Hernando de Soto, ein 79-jähriger konservativer Wirtschaftswissenschaftler, der schon einst Perus umstrittenen Machthaber Alberto Fujimori und später dessen Tochter Keiko beraten hat. Auch de Soto vertraute nicht auf das peruanische Gesundheitssystem - er flog in die USA, um sich dort impfen zu lassen.

Auf dem dritten Platz ist momentan die Linkspolitikerin Mendoza (40), die derzeit auf neun Prozent kommt. Sie ist die progressivste unter den Kandidaten und tritt sogar für legale Abtreibung ein. Mendoza hat sich sogar mit deutlichen Worten von Nicolas Maduro und seiner Herrschaft in Venezuela distanziert. Das haben bisher aber nicht alle in ihrer Partei, Juntos por el Peru, getan. Die Venezuela-Haltung kann in Lateinamerika durchaus Wähler vergraulen.

Ecuador zwischen Opus Dei und Correa-Platzhalter

Im nördlichen Nachbarn Ecuador ist am Sonntag ebenfalls Wahltag - und hier ist es schon die Stichwahl, nachdem im Februar die erste Runde über die Bühne gegangen war.

Zur Auswahl stehen nur noch der 65-jährige konservative Banker Guillermo Lasso und der 36-jährige Linkskandidat Andrés Arauz. In den jüngsten Umfragen liegen beide Kandidaten fast gleichauf bei etwa 50 Prozent der Stimmen.

Arauz war schon Minister unter Ex-Präsident Rafael Correa. Er dürfte an dessen "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" anknüpfen wollen. Arauz gewann überlegen in den Vorwahlen, doch die Nähe zu Correa, der mittlerweile wegen Korruption zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden ist, könnte auch ein rotes Tuch für manche Ecuadorianer sein. Eigentlich hätte ja Correa 2021 wieder kandidieren sollen, Arauz galt ein wenig als sein Platzhalter.

Gegenkandidat Lasso, Mitglied des ultrakonservativen christlichen Netzwerks Opus Dei, hat es allerdings bei den vergangenen Urnengängen auch nie auf Platz eins geschafft. Lasso bewirbt sich zum dritten Mal um die Präsidentschaft. "Am Montag werden wir einen neuen gewählten Präsidenten haben. Wir machen das mitten in einer Pandemie und einer Impfkampagne. Wir wünschen der neuen Regierung alles Gute", sagte Vizepräsidentin María Alejandra Muñoz am Sonntag. "Wir sind bereit für eine geordnete Machtübergabe."

Die Staatsverschuldung in Ecuador beträgt mit umgerechnet rund 54 Milliarden Euro 63 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Auch die Corona-Pandemie hat das Andenland hart getroffen. Mehr als 340.000 Infizierte und mehr als 17.000 Corona-Tote wurden registriert. Die Krankenhäuser des Landes sind überlastet. Außerdem hat die Arbeitslosigkeit in Ecuador durch die Corona-Krise deutlich zugenommen.

Arauz und Lasso wollen beide vorerst an der Öl-Förderung im Amazonasgebiet festhalten, dessen Urwälder für das Erdklima eine wichtige Rolle spielen. Die Ausbeutung von Bodenschätzen hat einen wichtigen Anteil an der Wirtschaftsleistung des Landes. Ein Zusammenschluss aus Umweltschutz- und Menschenrechtsgruppen hat die Wahlprogramme der Kandidaten auf Umweltschutzfragen hin untersucht und Arauz ein "besorgniserregendes" Zeugnis für den Umgang mit der Natur ausgestellt. Noch schlechter schneidet jedoch sein Konkurrent Lasso ab, der als "giftig" für die Umwelt bezeichnet wurde.