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Daunte Wright: Ein gezielter Schuss in die Brust

Von Konstanze Walther

Politik

Taser oder Glock: Die US-Polizistin hat bei der Verwechslung so oder so die Richtlinien missachtet.


Können Taser-Pistolen mit tödlichen Schusswaffen verwechselt werden? Die Gefahr besteht zwar, aber sie ist minimal. Taser haben zwar eine Handhabung mit Abzug wie Pistolen, in den USA sind Glocks die Wahl der US-Polizisten - sind aber viel leichter und sind normalerweise auch mit Warnfarben ausgestattet. Die Glock hingegen wiegt schwer in der Hand und muss, anders als der Taser, entsichert werden. Außerdem müssen US-Polizisten Taser und Glock an unterschiedlichen Körperseiten tragen. Dort, wo die dominante Hand ist, muss die tödliche Schusswaffe an der Hüfte befestigt sein, auf der anderen Seite soll der Elektroschocker hängen.

"Wenn man genug trainiert, sollte man den Unterschied merken", zitiert die "New York Times" den pensionierten Sergeant Scott DeFoe zu dem Thema.

Am Sonntag wurde der junge Afroamerikaner Daunte Wright in Minnesota von einer weißen Polizistin erschossen. Es ist derselbe Bundesstaat, in dem 11 Monate zuvor der Afroamerikaner George Floyd von einem weißen Polizisten getötet worden war. Floyd bekam keine Luft mehr, weil der Polizist auf seinem Hals kniete.

Wright wurde bei einer Verkehrskontrolle erschossen, als er sich der Verhaftung entzog, und in seinem Auto flüchten wollte. Wright war unbewaffnet. Er schien auf dem Polizeiradar auf, weil er einen Gerichtstermin versäumt hatte.

Ein Taser-Irrtum pro Jahr

Die Polizistin, Kim P., seit 26 Jahren im Dienst, wollte eigentlich den Taser ziehen, hieß es tags darauf. Sie wurde vorerst vom Dienst beurlaubt, der Fall wird untersucht.

Eine tödliche Taser-Verwechslung kommt unter US-Polizisten im Schnitt einmal im Jahr vor. Allerdings haben auch hier die tragischen Zufälle einen strukturell rassistischen Hintergrund. Denn die Opfer solcher Taser-Verwechslungen sind auch hier überproportional Afroamerikaner.

In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu Polizeihandlungen mit Todesfolge. Bei dem einen Mal in den letzten Jahren, als ein Weißer irrtümlich (aus nächster Nähe) angeschossen worden ist, statt mit einem Taser ruhiggestellt, ging der Vorfall glimpflich aus. Das Schussopfer überlebte - der Schuss in den Torso ging nicht durch lebenswichtige Organe.

Die meisten Afroamerikaner, bei denen die Polizisten offiziell einen Taser verwenden wollten, hatten nicht so viel Glück.

Das kann auch auf einen Reflex bei manchen Uniformierten hindeuten, bei Afroamerikanern eher höher am Körper zu zielen.

Denn selbst wenn Kim P. den Taser gezogen hätte anstatt der Glock, so wäre ihr Verhalten dennoch im eklatanten Widerspruch zu den Regeln der Polizei gestanden.

Wright starb durch einen einzigen Schuss in die Brust. Die "New York Times" zitiert aus dem Handbuch für Polizisten: "Bei Gebrauch eines Tasers sollte darauf geachtet werden, dass auf den Unterkörper gezielt wird und Kopf, Hals, Brust und Lendenbereich nicht getroffen werden." Außerdem dürfe ein Taser dann nicht verwendet werden, wenn eine Gefahr eines Kollateralschadens besteht - etwa, wenn die Person in einem Auto sitzt. Wright war am Lenkersitz, er fuhr nach dem Schuss noch ein paar Blocks weiter, bevor er verstarb.

Die mittlerweile 48-jährige Polizistin Kim P. ist schon vor zwei Jahren aktenkundig geworden. Damals wurde der 21-jährige autistische Afroamerikaner Kobe Edgar Dimock-Heisler von zwei Polizisten getötet, die seinen mentalen Zustand nicht einschätzen konnten. Dimock-Heisler hatte gerade einen depressiven Schub, verletzte sich selbst mit einem Messer und hatte eine Auseinandersetzung mit seinen Großeltern. Die Polizisten wurden von Nachbarn gerufen, fühlten sich offenbar bedroht, und Dimock-Heisler wurde erschossen.

Kim P. war eine der ersten Polizisten, die danach am Tatort waren. Sie empfahl ihren Kollegen, den Tatort sofort zu verlassen und ihre Body-Kamera auszuschalten.

Die interne Untersuchung erklärte später, dass die involvierten Polizisten bei dem Gebrauch der tödlichen Gewalt gerechtfertigt waren.

Trotz Ausgangssperre gingen die Menschen in Minneapolis auch am Dienstag aus Protest auf die Straße. Dutzende Demonstranten riefen Parolen und schwenkten Banner vor der Polizeistation. "Bin ich der Nächste?", stand auf Schildern, die die Demonstranten hielten. Die Polizei setzte Tränengas ein und ordnete ein Ende der Demonstration an.