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Bidens Klima-Dominoeffekt

Von Ronald Schönhuber

Politik

Beim von ihm veranstalteten Klimagipfel verkündet Joe Biden mit minus 50 Prozent ein neues und ehrgeiziges Ziel bei der Reduktion von Treibhausgasen. Wie vom US-Präsidenten erhofft, ziehen auch andere große Wirtschaftsnationen mit.


Als Donald Trump am 1. Juni 2017 den Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen verkündete, ging vielerorts die Angst vor einem globalen Dominospiel um. Unter ihrem neuen Präsidenten wollte sich die größte Volkswirtschaft der Welt auf einmal keinen klimapolitischen Zwängen mehr unterwerfen - wie lange würde es da dauern, bis auch andere Länder dem Beispiel der USA folgen und den Ausstieg aus der fossilen Energie absagen? Der Versuchung, kurzfristige Kosten- und Wettbewerbsvorteile gegenüber Ländern zu lukrieren, die gerade dabei sind, ihre Energieversorgung umzukrempeln und grüner zu machen, hat die Weltgemeinschaft allerdings weitgehend widerstanden. Mehr noch: Vielfach war nach dem Ausstieg der USA ein trotziges "Jetzt erst recht" zu hören.

Zusätzliche Ambition hat es allerdings kaum gegeben. Die Klimaschutzpläne der Staaten wurden nur in Ausnahmefällen überarbeitet, und selbst bei der Erfüllung ihrer ursprünglichen Ziele zur Reduktion des Treibgashausaustoßes hinkte das Gros der Staaten hinterher. Entsprechend schleppend gestaltete sich auch die erste Nachschärfung der nationalen Klimaschutzpläne, die das 2015 geschlossene Pariser Abkommen nach den ersten fünf Jahren vorsieht. Außer den EU-Staaten, die ihr gemeinsames und noch einmal deutlich nachgebessertes CO2-Einsparungsziel von minus 55 Prozent bis zum Jahr 2030 bereits im Sommer 2020 auf den Weg gebracht hatten, wagte sich kaum ein Land mit ehrgeizigen Plänen aus der Deckung. So hatte China im September zwar angekündigt, bis 2060 klimaneutral zu werden, die Volksrepublik machte aber gleichzeitig deutlich, dass die Emissionen in den kommenden zehn Jahren noch steigen und erst nach 2030 sinken würden.

Kanada und Japan ziehen mit

Knapp vier Jahre, nachdem Trump den Rückzug der Vereinigten Staaten aus der internationalen Klimadiplomatie angekündigt hat, scheint es nun allerdings einen Dominoeffekt in die andere Richtung zu geben. Denn Joe Biden hat die USA nicht nur mit einer seiner allerersten Amtshandlungen als neuer Präsident wieder zurück ins Pariser Abkommen geführt. Der 78-jährige Demokrat will sein Land auch zum globalen Schrittmacher in Sachen Klimaschutz machen, der mit gutem Beispiel vorangeht.

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So hat Biden am Donnerstag gleich zum Auftakt des von ihm veranstalteten Klimagipfels ein neues ambitioniertes Ziel bei der Reduktion von Treibhausgasen ausgegeben. Bis 2030 wollen die USA ihre Emissionen gegenüber dem Basisjahr 2005 um 50 bis 52 Prozent senken. 2050 sollen die Vereinigten Staaten dann ebenso wie die EU klimaneutral sein. "Die Zeichen sind nicht zu übersehen und die Zeichen sind nicht falsch zu verstehen", sagte Biden bei der mit 40 Staats- und Regierungschefs hochkarätig besetzten virtuellen Konferenz. "Die größten Volkswirtschaften der Welt müssen im Kampf gegen den Klimawandel nachlegen."

Dem Aufruf des US-Präsidenten, der in den vergangenen Wochen auch seinen Klimaschutzbeauftragten John Kerry um den halben Erdball geschickt hat, um andere Länder zu mehr Ehrgeiz zu motivieren, sind am Donnerstag auch gleich mehrere Länder gefolgt. So hat Japan, das in der Vergangenheit wegen seines Ziels von minus 26 Prozent his 2030 häufig als wenig ambitioniert kritisiert worden war, angekündigt, den Emissionsausstoß nun um 46 Prozent gegenüber 2013 senken zu wollen. Man werde aber auch weiterhin versuchen, auf minus 50 Prozent zu kommen, sagte Premier Yoshihide Suga, der in dieser Frage zuletzt unter massiven Druck der USA geraten war.

Auch Kanada hat seine Ziele im Rahmen des noch bis Freitag dauernden Klimagipfels deutlich angehoben. Statt dem bisherigen Reduktionsziel von minus 30 Prozent bis 2030 gilt nun eine Zielmarke von 40 bis 45 Prozent im Vergleich zum Basisjahr 2005. Großbritannien hatte sich schon vor wenigen Tagen neue Vorgaben gegeben. Im Rahmen des laut Premier Boris Johnson "ehrgeizigsten Klimaschutzprogramms der Welt" sollen die britischen Emissionen bis 2035 um 78 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 gesenkt werden.

China bleibt unkonkret

Mit Brasilien hat sich zudem auch ein großes Schwellenland spürbar bewegt. So hat Staatschef Jair Bolsonaro, der mit Donald Trump seinen wichtigsten Verbündeten verloren hat, versprochen bis 2030 die illegale Abholzung im Amazonasgebiet zu beenden. Mit dieser Maßnahme sollen laut dem brasilianischen Präsidenten auch die Netto-Emissionen des Landes um 50 Prozent zurückgehen. 2050 will dann auch Brasilien klimaneutral sein.

Kein neues konkretes Ziel ist am Donnerstag allerdings aus China gekommen, dem mit deutlichem Abstand vor den USA größten globalen Klimasünder. So hat Staatschef Xi Jinping in seinem Redebeitrag vor allem eine Verringerung des Kohleverbrauchs in der Volksrepublik ab dem Jahr 2025 in Aussicht gestellt. Im Rahmen des soeben erst beschlossenen Fünf-Jahres-Plans solle der Anstieg des klimaschädlichen Kohleverbrauchs "streng begrenzt" und während des folgenden Plans bis 2030 "stufenweise verringert" werden, sagte Xi, der bei diese Gelegenheit auch noch einmal das Ziel der Klimaneutralität bis 2060 bekräftigte.

Aus Sicht von Biden dürfte allerdings schon allein die Teilnahme Chinas an der zweitägigen Veranstaltung als Erfolg gelten. Denn anders als in vielen anderen Bereichen, in denen auch nach dem Machtwechsel im Weißen Haus Misstrauen und geostrategische Rivalität die Beziehungen prägen, funktionieren die diplomatischen Kanäle zwischen den USA und China in Klimafragen ganz offensichtlich problemlos. Das dürfte vor allem für die kommenden Monate wichtig werden. Denn der virtuelle Gipfel, das hat Biden am Donnerstag sehr deutlich gemacht, soll nur der Beginn einer langen Reise werden, deren nächster Zwischenstopp Glasgow ist. Dort soll im November die wegen Corona verschobene Weltklimakonferenz stattfinden, bei der sich Biden nicht zuletzt von China neue Impulse erhofft.