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Chinas Klimaschutz: Ja, aber mit Abstrichen

Von Klaus Huhold

Politik

Staatschef Xi Jinping verspricht beim internationalen Klimagipfel mehr Anstrengungen. Doch muss sich in China die Klimapolitik in das große Versprechen der KP einfügen, für mehr Wohlstand zu sorgen.


Der Nebel ist so dicht, dass selbst die Gebäude an der gegenüberliegenden Straßenseite verschwimmen. Nur riecht dieser Nebel ein wenig säuerlich, und er kann einem auch schon einmal den Magen aufstoßen. Die meisten Passanten, die vorbeigehen, haben eine Atemschutzmaske aufgesetzt. Wenn in Peking Smogalarm herrscht, bekommt man den Eindruck, als würde ein schmutziges Morgengrauen den ganzen Tag nicht enden wollen und der Sonne keine Chance geben, hinter diesem dichten Schleier hervorzukommen.

Der Smog macht das chinesische Umweltproblem sichtbar. Nicht weniger gefährlich ist aber das unsichtbare Problem, das oft dieselben Verursacher wie der Smog - etwa Autoverkehr und Kohlekraftwerke - hat: der immense CO2-Ausstoß. Das zeigen auch die Daten: Die Volksrepublik ist mit einem Anteil von 27 Prozent global der größte Emittent von Treibhausgasen.

Deshalb ist auch auf internationaler Ebene klar, dass das Ziel des Pariser Klimaabkommens, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen, ohne China nicht erreicht werden kann. Und aus diesem Grund hat US-Präsident Joe Biden - trotz aller sonstigen geopolitischen Rivalitäten - Chinas Parteichef Xi Jinping zu dem virtuellen Klimagipfel geladen, der diese Woche stattfand und bei dem hochrangige Politiker aus aller Welt die Anstrengungen gegen den Klimawandel noch einmal bündeln sollten.

Umgang mit Kohle zeigt ambivalente Haltung der KP

Dass Biden gleich zu Beginn des zweitägigen Gipfels verkündete, dass die Vereinigten Staaten ihren Treibhausgas-Ausstoß bis zum Jahr 2030 im Vergleich zu 2005 mindestens halbieren wollen und die EU ihr Ziel - minus 55 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 1990 - nach oben geschraubt hat, brachte den chinesischen Präsidenten unter Zugzwang. Xi stellte dann bei seiner Rede eine Verringerung von Chinas Kohleverbrauchs ab 2025 in Aussicht. Ursprünglich hatte die Kommunistische Partei (KP) dieses Ziel erst für das Jahr 2030 angepeilt.

Der Umgang mit der Kohle zeigt anschaulich Chinas ambivalente Haltung in der Klimapolitik: Einerseits fördert der Staat im großen Ausmaß nicht-fossile Energieträger, die die Kohle auf lange Sicht ersetzen sollen. Andererseits baut China noch immer Kohlekraftwerke.

Das Land stützt seine Energieversorgung noch immer zu rund 60 Prozent auf Kohle. Der chinesische Wirtschaftsaufstieg ist somit auf die Kohle, die auch Millionen Arbeiter in Lohn und Brot hält, angewiesen. Die KP argumentiert gerne, dass der Pro-Kopf-Energieverbrauch in China immer noch geringer als in den westlichen Ländern ist - und die USA und Europa für ihren Aufstieg ebenfalls jede Menge umweltschädlicher Energie verzehrt haben.

Die Zeiten, als die Volksrepublik dem Westen vorwarf, mittels Klimapolitik Chinas Aufschwung bremsen zu wollen, sind aber lange vorbei. Die Staatsführung bestreitet wissenschaftliche Erkenntnisse nicht, vielmehr wird mittlerweile auch in China selbst die Klimaforschung vorangetrieben. Zumal die Volksrepublik selbst vom Klimawandel betroffen ist: Steigende Meeresspiegel bedrohen die wohlhabenden Küstenmetropolen, und im Hochland schmelzen die Gletscher.

Die Volksrepublik will somit den Klimaschutz vorantreiben. Aber er ist nicht das Zentrum der Politik. Vielmehr muss er sich einfügn in das große Versprechen der KP, für mehr Wohlstand zu sorgen und immer mehr Chinesen in den Mittelstand zu heben. So können auch Funktionäre in der Provinz darauf spekulieren, dass sie die Klima-Direktiven aus Peking nicht ganz genau einhalten müssen, wenn sie dafür für Arbeitsplätze und Infrastruktur sorgen.

China ist Partner und Konkurrent zugleich

Dementsprechend hat auch der erst kürzlich verabschiedete Fünf-Jahres-Plan bei Umweltschützern keinerlei Jubel ausgelöst, er sorgte teilweise gar für Enttäuschung. Eine der zentralen Vorgaben lautet etwa, dass sich der CO2-Ausstoß in Relation zur Wirtschaftsleistung bis 2025 um 18 Prozent verringern soll - womit sich die Zielmarke nicht sonderlich vom vorangegangenen Fünf-Jahres-Plan unterscheidet. Darüber hinaus setzt China - ganz im Gegensatz etwa zu Österreich oder Deutschland - auf Atomkraftwerke. Ihre Kapazitäten sollen bis 2025 von 52 auf 70 Gigawatt erhöht werden.

Gleichzeitig investiert China große Summen in Umwelttechnologien - auch, weil das Land hier einen globalen Zukunftsmarkt sieht. Bei der Wind- und Solarenergie sind chinesische Firmen wie Goldwind oder Envision schon führend und haben manch europäischem Konkurrenten den Rang abgelaufen. "International kann China ein Partner sein im Kampf gegen die Erderwärmung sein. Zugleich ist China zum Wettbewerber bei umweltfreundlichen Technologien und Herstellungsverfahren geworden", analysieren die Forscher des in Deutschland ansässigen Merics-Institut für China-Studien in einer Untersuchung.

Und somit fügen sich auch die Investitionen in grüne Technologien in das Wohlstandsversprechen: Chinesische Firmen produzieren für den internationalen, aber auch den stetig wachsenden einheimischen Markt. Elektroautohersteller wie Nio, Xpeng oder Saic sind jetzt schon Branchengrößen. Auch das zeigt sich in Peking: Immer weniger sind in der Hauptstadt laute Verbrennungsmotoren zu hören, dafür aber immer öfters das leise Surren von Elektroautos und -rollern.