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Russland setzt in seinem ehemaligen Hinterhof auf Kooperation

Politik
Tadschikistans Staatschef Emomali Rachmon (l.) war am 9. Mai in Moskau zu Gast bei Russlands Präsidenten Wladimir Putin und Verteidigungsminister Sergej Schoigu (r.).
© reuters / Mikhail Metzel

Moskau kann nicht mehr darauf hoffen, die seit 30 Jahren souveränen Staaten Zentralasiens zu kontrollieren - der Preis dafür wäre zu hoch.


Der baldige Abzug der US-Truppen aus Afghanistan wirkt sich auch auf Zentralasien aus. Die Aussicht, dass die radikalislamischen Taliban in Kabul wieder an die Macht kommen könnten, beunruhigt die autoritär regierenden Staatschefs jener Länder, die im Norden an Afghanistan angrenzen.

So fand etwa in Tadschikistan in den 1990er Jahren ein Bürgerkrieg statt, in dem die Postkommunisten rund um den heute noch regierenden Präsidenten Emomali Rachmon von Islamisten herausgefordert wurden. Auch Russland, das einen hohen muslimischen Bevölkerungsanteil hat, beobachtet jede mögliche Entwicklung Richtung Islamismus mit Argusaugen. Man fürchtet, dass sich Instabilität bis in die muslimisch geprägten autonomen Republiken im Herzen Russlands - etwa Tatarstan - ausbreiten könnte. Das wäre für Russland potenziell existenzbedrohend.

Man fürchtet aber noch anderes in Moskau: Nämlich, dass sich die USA nach dem Ende ihrer Präsenz in Kabul wieder den zentralasiatischen Republiken zuwenden könnten. In Washington wird unter dem neuen Präsidenten Joe Biden wieder über die Möglichkeit diskutiert, Militärstützpunkte in der Region zu errichten. Russland reagiert allergisch auf Versuche der USA, in Zentralasien Fuß zu fassen. Man befürchtet, dass Washington die zentralasiatischen Potentaten dazu verleiten könnte, sich von Russland abzuwenden.

Weniger Interventionen

Zumal man in Moskau selbst Schwierigkeiten hat, die Zentralasiaten im eigenen Orbit zu halten: In den fast 30 Jahren Unabhängigkeit haben diese Länder ihre Souveränität schätzen gelernt. Der Einfluss Russlands ist heute begrenzt. Es kann nicht mehr darauf hoffen, die ehemals sowjetische Region zu dominieren - der Preis dafür wäre zu hoch. Der Kreml hat sich in dem aktuellen tadschikisch-kirgisischen Grenzkonflikt nicht umsonst passiv verhalten: Eigene Friedenstruppen zu entsenden, hätte Moskau selbst zum Akteur und also angreifbar gemacht - das hätte wohl mehr geschadet als genutzt.

Russland, das bisher auf bilaterale Abkommen setzte, hat seit kurzem seine Zentralasien-Strategie geändert: Man will nun auf dem Weg über die Eurasische Wirtschaftsunion, die auch ein politisches Forum ist, Einfluss behalten. Am 30. April fand dazu im russischen Kasan ein Treffen der beteiligten Staatschefs statt. Dazu reiste Verteidigungsminister Sergej Schoigu kurz zuvor nach Tadschikistan und Usbekistan, die in der Union Beobachterstatus haben. Der russische Strategiewechsel kann freilich nur dann funktionieren, wenn es dem Kreml gelingt, glaubhaft zu versichern, dass seine Partner nicht ihre Unabhängigkeit verlieren. (leg)