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Die Stunde der Vermittler

Von WZ-Korrespondentin Birgit Svensson

Politik

Während die Gewalt in Nahost sich unverändert fortsetzt, werden im Hintergrund die Mediatoren aktiv: Ägypten, Katar, Frankreich und die USA bemühen sich um einen Waffenstillstand zwischen Israelis und Palästinensern.


Nur kurz schwiegen in Nahost die Waffen: Sechs Stunden lang war es in Israel am Dienstag relativ ruhig, dann heulten wieder die Warnsirenen: Die radikal-islamische Hamas, die im Gazastreifen regiert, beschoss laut eigenen Angaben die israelische Ortschaft Ofakim. Umgekehrt attackierte Israels Luftwaffe Ziele im Gazastreifen, etwa die Häuser von drei Hamas-Kommandeuren. Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern dauert mit voller Härte an.

Alle Augen sind deshalb nun auf Kairo gerichtet. Die Ägypter sollen es richten, sollen einen Waffenstillstand zwischen beiden Seiten vermitteln. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kündigte an, er werde sich darum kümmern und mit Ägypten und Jordanien zusammen einschreiten. Man könne diesem "Abschlachten", wie er bei einer Pressekonferenz am Montag in Paris sagte, nicht mehr zusehen.

 

USA drängen auf Feuerpause

Nach längerem Zögern drängt nun auch die US-Regierung auf eine Feuerpause, nachdem die Amerikaner im UN-Sicherheitsrat drei Resolutionen mit ihrem Veto verhindert hatten und Präsident Joe Biden gebetsmühlenartig betonte, Israel habe das Recht, sich zu verteidigen. Die Gewalt werde in den nächsten Tagen enden, sagte er noch und widmete sich anderen Dingen.

Das tat sie aber nicht. Neun Tage lang dauert dieser erneute Krieg zwischen der regierenden Hamas in Gaza und der Regierung Israels. Im Gazastreifen sterben immer mehr Kinder und Frauen, in Israel ebenfalls. Die Luftangriffe würden weitergehen, bis Israel sein Ziel erreicht habe, ist die Haltung von Premier Benjamin Netanjahu, und die Hamas feuert uneingeschränkt weiter Raketen auf Israel ab. Mittlerweile sind es schon über 2.000. Größtenteils werden sie zwar durch Israels Raketenabwehrsystem abgefangen, manche Geschosse erreichen aber ihr Ziel.

Auslöser für die neuerliche Eskalation ist Jerusalem, wo es vorher bereits vier Wochen lang Zusammenstöße zwischen Israelis und Palästinensern gab. Während des islamischen Fastenmonats Ramadan brach die geballte Wucht des Nahost-Konflikts wieder auf. Die Frage, wem Jerusalem gehört, stand plötzlich wieder im Fokus.

"Jede Nacht noch schlimmer"

Doch erst die Raketen aus Gaza und die darauffolgenden Luftangriffe der israelischen Armee brachten den Konflikt auf die Weltbühne. Als vor laufenden Kameras das 14-stöckige grün-weiße Mediengebäude in Gaza durch fünf Bomben der israelischen Armee zum Einsturz kam, wachte die US-Regierung in Washington auf. Seit 15 Jahren hatte die amerikanische Presseagentur AP ihre Büros dort, beschäftigte zwölf Mitarbeiter. Auch die französische Agentur AFP war in diesem Hochhaus beheimatet sowie der arabische Sender Al Jazeera.

Der Vorwurf Israels, die ausländischen Journalisten hätten als Schutzschild für die Hamas gedient, weisen diese entschieden zurück. Vielmehr wolle Israel damit die Berichterstattung aus Gaza behindern, lautet die Antwort.

Das Medienhaus ist das fünfte Hochhaus, das die israelische Armee seit Beginn des Krieges durch Luftangriffe zerstört hat. "Jeden Morgen denken wir, das war die schlimmste Nacht", sagt eine Journalistin aus Gaza der britischen BBC, "und jede Nacht wird es nur noch schlimmer."

 

US-Libanese als Gesandter

Das erneute Aufflammen des Konflikts hatte die Biden-Administration zunächst kalt erwischt. Während Vorgänger Donald Trump Israels Premierminister Benjamin Netanjahu als einen engen Freund Amerikas bezeichnete, seine expansive Siedlungspolitik rechtfertigte, den Palästinensern die Hilfsgelder strich und die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegte, hatte sich Joe Biden noch nicht eindeutig positioniert. Nun aber soll Hady Amr als Sondergesandter der US-Regierung beide Seiten zur Mäßigung bringen. Der 55-jährige Spitzenbeamte des US-Außenministeriums ist in Beirut geboren und unterhält ausgezeichnete Verbindungen zur Region. Vor allem aber - und das ist das Kalkül Bidens - ist er sowohl bei den Israelis als auch bei den Palästinensern beliebt und könnte sich als ehrlicher Vermittler erweisen. Zusammen mit Ägypten und Katar ist ein Vermittler-Trio entstanden, das das Töten stoppen soll.

Amr darf nicht verhandeln

Doch Amr sind die Hände gebunden. Er darf nicht direkt mit der Hamas verhandeln. Offizielle Gespräche mit Terrororganisationen dürfen amerikanische Diplomaten nicht führen. Und Hamas ist von den USA, der EU und Israel als Terrororganisation eingestuft. Doch über die Ägypter sprechen beide miteinander und so herrscht derzeit eine Pendelstrategie. Zwar gelten auch in Kairo die Herren in Gaza als Terroristen, doch ist die ägyptische Diplomatie geschmeidiger, zumal der Gazastreifen vor dem Sechs-Tage-Krieg 1967 ägyptisches Mandat war und die Ägypter nach wie vor gute Kontakte dorthin unterhalten. Durch den Friedensschluss mit Israel 1979 ist das Nilland doppelt prädestiniert, hier zu vermitteln, und kennt auch die Israelis gut. Unzählige Male hat Kairo schon vermittelt, hat Waffenstillstände verhandelt, die hielten und dann wieder gebrochen wurden. Ägypten ist der wohl wichtigste Vermittler in Nahost.

Humanitäre Geste

Allerdings tut sich der neue Machthaber am Nil schwer mit den Regierenden in Gaza. Abdel Fattah al-Sisi ist 2014 durch einen Putsch zu dem Zeitpunkt ins Amt gekommen, als der letzte Gaza-Krieg tobte und Ägypten mit sich selbst und den Nachwehen der Aufstände zu tun hatte. Seitdem sind die islamistischen Muslimbrüder Sisis Erzfeinde, die er gnadenlos verfolgen lässt. Die 1987 gegründete Hamas in Gaza ist ein Zweig der ägyptischen Muslimbrüder. Trotzdem nimmt Ägypten derzeit täglich Verletzte über die ansonsten geschlossene Grenze in Raffah auf und lässt sie in ägyptischen Krankenhäusern behandeln, da das Gesundheitssystem in Gaza kollabiert. Diese humanitäre Geste könnte die Hamas dazu bewegen, auf einen Kompromiss mit den Ägyptern einzugehen.

 

Katar entscheidet über Schicksal Gazas

Katar hingegen ist das Schwergewicht mit Einfluss auf die Hamas. Seit Jahren schickt das Golf-Emirat Geld zum Kauf von Treibstoff für die Kraftwerke nach Gaza. Gerüchte besagen, dass davon auch jene Raketen gebaut worden sein könnten, die jetzt nach Israel fliegen. Wenn Katar den Geldhahn zudreht, geht im Gazastreifen das Licht aus. Doch selbst wenn das Trio erfolgreich die Spirale der Gewalt stoppen kann, bleibt noch immer die Frage: wie lange? Solange keine Lösung für Israelis und Palästinenser im Umgang miteinander gefunden wird, werden die Spannungen kein Ende nehmen - wie schon seit über 50 Jahren.