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Haitis verhasster Präsident "von Mordkommando" getötet

Von Michael Schmölzer

Politik

Jovenel Moise galt als hemmungslos korrupt, Proteste mit zahlreichen Toten waren an der Tagesordnung.


Port-au-Prince. Haiti ist das ärmste Land auf dem amerikanischen Kontinent. Dies auch deshalb, weil die Behörden die eskalierende Bandengewalt nicht in den Griff bekommen. Regiert wurde der Inselstaat zuletzt von Präsident Jovenel Moise, einem ehemaliger Agrarunternehmer, der im Land zunehmend verhasst war. Moise wurde jetzt, wie der scheidende Regierungschef Claude Joseph am Mittwoch erklärte, in seinem Haus "von einem Mordkommando" getötet. Die Frau des Präsidenten liegt mit Verletzungen im Krankenhaus. Genaueres war vorerst nicht in Erfahrung zu bringen.

Tatsache ist, dass Moise auf Haiti derart unbeliebt war, dass er sich kaum noch vor die Haustür traute. Proteste mit Toten waren an der Tagesordnung, wobei die Gewalt von Banden und den Polizeikräften ausging. Moise, der sich "Neg Bannann" ("Bananenmann") nannte, wurde hemmungslose Korruption vorgeworfen. Die Wut der Bevölkerung richtete sich zudem gegen Benzinknappheit und eine Inflationsrate von mehr als 20 Prozent. Zahlen der Weltbank zufolge leben 59 Prozent der Haitianer unter der Armutsgrenze. Haiti leidet immer noch an den Folgen des schweren Erdbebens vom 12. Jänner 2010. Damals kamen mehr als 200.000 Menschen ums Leben, mehr als 1,5 Millionen Haitianer wurden auf einen Schlag obdachlos, Seuchen wie die Cholera brachen aus, tausende Menschen starben.

Eskalierende Gewaltin Port-au-Prince

"Der Präsident wurde in seinem Haus von Ausländern ermordet, die Englisch und Spanisch sprachen", verkündete Noch-Premier Claude Joseph - jener Mann, der jetzt die Macht für sich reklamiert. Er rief die Bevölkerung am Mittwoch zur Ruhe auf und kündigte an, Polizei und Armee würden für die Einhaltung der öffentlichen Ordnung sorgen.

Moise war 2016 zum Präsidenten gewählt worden und hatte das Amt im Februar 2017 angetreten. Zuletzt regierte er Haiti per Dekret, nachdem eine Parlamentswahl verschoben worden war. Er hatte den Regierungschef des Landes binnen vier Jahren siebenmal ausgewechselt. Erst am Montag gab er die Ernennung des neuen Regierungschefs Ariel Henry bekannt, der Claude Joseph nach nur drei Monaten im Amt ablösen sollte.

Im vergangenen Monat die Gewalt in Haitis Hauptstadt Port-au- Prince eskaliert, hunderte Wohnhäuser und Geschäfte wurden in Brand gesetzt. Bei den Kämpfen geht es um territoriale Ansprüche rivalisierender krimineller Banden. Die Polizei hat die Lage nicht im Griff. 5.600 Menschen, darunter viele Kinder, sind zuletzt nach Angaben der UNO in weniger gefährliche Stadtteile geflüchtet, sie schlafen nun in behelfsmäßigen Unterkünften oder im Freien auf der Erde. Es mangelt an Essen und Trinkwasser.

Erfolgreicher Sklavenaufstand

Doch verfügt Haiti - früher Saint Domingue - über eine mehr als interessante Vergangenheit: Hier ereignete sich der einzige erfolgreiche Sklavenaufstand der Geschichte. Knapp nach der Revolution 1789 lebten in der damaligen französischen Kolonie insgesamt rund 600.000 Menschen, 90 Prozent davon teilten das traurige Los als schwarze Sklaven. Daneben gab es 40.000 Weiße und 30.000 befreite Schwarze und Mulatten. Im Sommer 1791 begannen die Sklaven, die alle gemeinsam der drückenden Leibeigenschaft entkommen wollten, auf einer Plantage zu rebellieren. Die weißen Plantagenbesitzer wurden brutal abgeschlachtet, innerhalb weniger Tage hatten die Schwarzen die Oberhand gewonnen. In der Folge wurden 500.000 Sklaven befreit, Haiti wurde eine unabhängige Republik.

Der Sklavenaufstand hatte weitreichende Folgen. Die französische Kolonie bekam rasch eine Verfassung, wurde unabhängig und bezeichnete sich damals selbst als "Erster Freier Negerstaat". Auf die Einlösung der großen Versprechungen wie Freiheit, Demokratie und Wohlstand muss die notleidende Bevölkerung allerdings bis heute warten.