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Kaczynski riskiert polnisch-amerikanische Entfremdung

Von Alexander Dworzak

Politik

Polens Führung wurde unter Trump hofiert, Bidens Administration kritisiert das Warschauer Mediengesetz.


"Amerika liebt Polen und Amerika liebt das polnische Volk", rief der damalige US-Präsident Donald Trump der Menge in Warschau zu. In der polnischen Hauptstadt wurde Trump gefeiert wie an keiner anderen Station seiner Europareise 2017. Und nichts erfreut den ehemaligen Reality-TV-Star bekanntlich so sehr wie Anerkennung. Vor Freude strahlte auch Polens nationalkonservativer Präsident Andrzej Duda 2019 und 2020 bei seinen Visiten im Washingtoner Weißen Haus. Hätten Polens Bürger die Wahl gehabt, Trump wäre Präsident geblieben, und Joe Biden würde nun nicht amtieren.

Noch bevor der Demokrat ins Amt gewählt worden war, mahnte er Rechtsstaatlichkeit in Polen ein. Deutlich fällt auch die US-Kritik auf das am Mittwochabend von der ersten polnischen Parlamentskammer gebilligte Mediengesetz aus. Die USA seien "tief beunruhigt", richtete Außenminister Antony Blinken aus. Er forderte auch die Regierung in Warschau auf, ihren Einsatz für demokratische Werte und Pressefreiheit unter Beweis zu stellen.

Garant gegen Russland

Dem umstrittenen Gesetz zufolge werden Rundfunklizenzen nur an Unternehmen vergeben, die "ihre Zentrale oder ihren Wohnsitz im Bereich des Europäischen Wirtschaftsraums haben" - ein Angriff auf das polnische Mediennetzwerk TVN, das sich im Besitz des US-Konzerns Discovery befindet und äußerst kritisch über die nationalkonservative Regierung Polens berichtet.

Diese sogenannte Lex TVN strebte Polens maßgebliche Regierungspartei PiS bereits während Trumps Amtszeit an. Der stellte sich aber vor Discovery - nicht aus Sorge um die Medienfreiheit in Polen, sondern aus Schutz der Interessen eines US-Unternehmens.

Warum PiS nun den Konflikt mit einem Regierungspartner eskaliert hat und mit den USA sucht, ist offen. Fest steht, die Auseinandersetzung konnte nur mit Billigung des heimlichen Regierungschefs und PiS-Vorsitzenden, Jaroslaw Kaczynski erfolgen.

Der 72-Jährige hat sich zeit seines politischen Lebens von Feinden umzingelt gesehen, innen wie außen. Im Falle des Nachbarn Russland liegt er damit nicht so falsch, das Verhältnis zwischen Warschau und Moskau ist anhaltend katastrophal. Umso mehr Gewicht hat für Polen daher die Zusammenarbeit in der Nato und der Glauben an Sicherheitsgarantien der USA. Darin besteht der Kern des polnisch-amerikanischen Sonderverhältnisses nach Ende des Kalten Krieges. Dieses wurde unter Trumps Amtszeit auf die Spitze getrieben, Polen kaufte fleißig Waffen und Gas aus den USA und wähnte in ihnen einen Partner im Kampf gegen die von Russland initiierte Gaspipeline Nord Stream 2.

Pipeline nicht verhindert

Biden wandte sich aber einem anderen traditionellen US-Partner zu: Deutschland. Ende Mai wurde klar, dass die USA auf Sanktionen gegen die Leitung verzichten. Polens Regierung stand damit auf einer Stufe mit den drei kleinen baltischen Ländern, die ebenfalls über Jahre gegen Nord Stream 2 lobbyiert hatten. Die Strategie, dank Bindung an die USA einen Hebel zu mehr Einfluss in der EU zu haben, schlug damit fehl. Stattdessen agieren die Vereinigten Staaten im Einklang mit dem bedeutendsten Land der Union.

Mit dem Mediengesetz riskiert Kaczynski nicht nur ein noch schlechteres Verhältnis mit der EU-Kommission nach den mehrfachen Eingriffen der PiS-geführten Regierung in die polnische Justiz: "Medienpluralismus und Meinungsvielfalt sind das, was starke Demokratien begrüßen und nicht bekämpfen", erklärte EU-Kommissionsvizepräsidentin Vera Jourova am Donnerstag.

Noch ist das Mediengesetz nicht beschlossen, es geht nun in die zweite Parlamentskammer. Ein Stop wäre aber eine Überraschung. Und der Preis für eine Entfremdung Polens mit den Amerikanern wäre ein sehr hoher. Nirgends würde diese auf mehr Wohlwollen stoßen als in Moskau.