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Machtkampf an der Taliban-Spitze

Von Michael Schmölzer

Politik

Vizechef dementiert Gerüchte über eigenen Tod. Streit um künftige politische Ausrichtung in der Führungsriege.


Dass die Taliban kein monolithischer Block sind, ist bekannt. Doch jetzt scheint ein heftiger Machtkampf zwischen den einzelnen Gruppierungen ausgebrochen zu sein. Die islamistischen Fanatiker dementieren zwar, doch das ist nicht sehr glaubhaft.

Zuletzt war der vergleichsweise moderate Taliban-Vizechef Mullah Abdul Ghani Baradar mehrere Tage spurlos verschwunden, am Donnerstag widersprach er dann Berichten über seinen eigenen Tod. "Gott sei Dank geht es mir gut und ich bin gesund", so Baradar in einem Interview mit dem afghanischen Staatssender RTA. Einen internen Machtkampf bestritt er: Man sei so eng wie eine Familie.

Er sei außerhalb Kabuls auf einer Reise gewesen und habe deswegen keinen Zugang zu Medien gehabt, begründete Baradar seine lange Abwesenheit. Das ist nicht die einzige Version. Zuvor hatte es geheißen, er sei "erschöpft" und nehme eine Auszeit. Die meisten Antworten im Fernsehen las Baradar von einem Blatt ab.

Schwieriger Ausgleich

Auch Taliban-Chef Mullah Haibatullah Akhundzada ist seit Monaten nicht mehr in Erscheinung getreten - was für Spekulationen sorgt, an sich aber nichts Ungewöhnliches ist. Zu denken gibt allein die Tatsache, dass der Tod von Taliban-Mitbegründer Mullah Omar, Staatsoberhaupt während der ersten Taliban-Herrschaft von 1996 bis 2001, mit zweijähriger Verspätung bekanntgegeben worden war.

Laut der britischen BBC hatte Mullah Baradar zuletzt eine heftige Auseinandersetzung mit Khalil Haqqani, der in der Taliban-Regierung einen Ministerposten bekleidet, vor allem aber zentrales Mitglied des Haqqani-Netzwerks ist. Unbestritten ist, dass die Taliban große Mühe haben, innerhalb der Übergangsregierung einen Ausgleich zwischen allen Lagern zu finden. Zudem soll es Streit darüber geben, wer sich das Verdienst des Sieges über den Westen an die Brust heften darf.

Dabei geht es um nichts weniger als um die Ausrichtung der künftigen politischen Linie der Taliban - diplomatisch oder kriegerisch. Es gibt einige Hinweise, dass derzeit das Haqqani-Netzwerk im Kampf um Einfluss die besten Karten hat. Die als Terrororganisation geltende Gruppe verfügt über gute Verbindungen zu Pakistan.