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Die Dutertes: Wie der Vater, so die Tochter

Von Klaus Huhold

Politik

Auf den Philippinen könnte Sara Duterte-Carpio ihrem Vater Rodrigo Duterte als Präsidentin nachfolgen.


Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm: Es gibt Aufnahmen von Sara Duterte-Carpio, die zeigen, wie sie in einem Slum von Davao einem Polizisten mit geballter Faust auf den Kopf schlägt. Duterte-Carpio ist Bürgermeisterin der Millionenstadt - und sie ist die Tochter des philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte, der für seinen brachialen Führungsstil und seinen brutalen Kampf gegen Drogen bekannt ist.

Duterte war 2016 zum Präsidenten der Philippinen gewählt worden. Dass er sich im Wahlkampf rühmte, als Lokalpolitiker persönlich Drogendealer erschossen zu haben, und seine Gegner mit Kraftausdrücken beschimpfte, sorgte zwar im Ausland für Entsetzen. Aber bei vielen philippinischen Wählern machte ihn das zu einem durchsetzungsfähigen, bodenständigen Mann des Volkes. Dieses Image förderte Duterte auch noch, indem er ständig betonte, dass er - im Gegensatz zu vielen anderen hochrangigen Politikern - nicht aus einer Politdynastie stammt.

Doch nun werden die Dutertes offenbar selbst zur Dynastie. Nicht nur folgte Tochter Sara ihrem Vater schon zwei Mal als Bürgermeisterin von Davao nach - einmal von 2010 bis 2013 und nun, nachdem er Präsident wurde. Sie wird vielleicht auch die nächste Präsidentin des Inselstaates. Seit Wochen beschäftigt die Medien die Frage, ob die 44-Jährige bei dem Votum im Frühjahr nächsten Jahres antreten wird. Sie selbst äußert sich einmal in diese und einmal in die andere Richtung. Zwischenstand Donnerstagabend: Wahrscheinlich schon.

Auch wenn Sara Duterte-Carpio immer wieder ihre Unabhängigkeit von ihrem Vater betont, wäre sie für Rodrigo Duterte eine sehr genehme Präsidentin, die auch einen gewissen Schutz für ihn bedeuten würde. Denn dem Amtsinhaber droht Ungemach. Nach einer einmaligen Amtszeit von sechs Jahren darf er nicht zur Wiederwahl antreten. Nun, mit dem Verlust seiner Immunität, drohen ihm Anklagen wegen des Kriegs gegen Drogen. Diesen führt Duterte ohne Rücksicht auf Verluste: Die Polizei hat den Auftrag, Drogendealer zu liquidieren, und für die tödliche Kugel reicht oft schon ein Verdacht aus.

"Ich werde euch töten, weil ich mein Land liebe"

Nicht nur Menschenrechtsorganisationen auf den Philippinen wollen den Präsidenten dafür belangen. Auch der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat diese Woche verkündet, dass er ein offizielles Ermittlungsverfahren einleitet, ob Dutertes Krieg gegen Drogen ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt. Laut Anklage haben Mitglieder der Nationalen Polizei auf den Philippinen möglicherweise zehntausende Menschen getötet. Und diese Tötungen seien nicht legitim, so die IStGH-Ankläger. Die vorliegenden Dokumente deuteten vielmehr auf "eine breite und systematische Attacke gegen die Zivilbevölkerung" hin.

Duterte musste schon länger mit einer Anklage rechnen und hat sich im Parlament dazu geäußert: "Der Internationale Strafgerichtshof kann dies aufzeichnen: Diejenigen, die mein Land zerstören, werde ich töten. Ich werde euch töten, weil ich mein Land liebe", verkündete er. Seitdem der Strafgerichtshof seine Ermittlungen begonnen hat, baut Duterte einen Schutzwall auf. So sind die Philippinen im März 2019 aus dem IStGH ausgetreten. Doch alles, was davor geschah, fällt noch in dessen Kompetenz.

Aus diesem Grund sucht Duterte ein politisches Amt, dass ihm weiter Immunität verleiht. Deshalb möchte er 2022 Vizepräsident werden. Doch Juristen haben Zweifel, ob ihn auch dieses Amt vor einer Strafverfolgung schützen würde. Hinzu kommt, dass auf den Philippinen der Vizestaatschef unabhängig vom Präsidenten ebenfalls direkt gewählt wird. Deshalb könnte Duterte seine Vizepräsidentschaft wenig nutzen, wenn ein Gegner von ihm Präsident wird und seine Auslieferung vorantreibt. Hier kommt wieder Sara Duterte-Carpioins Spiel: Denn die studierte Juristin würde als Präsidentin wohl kaum ihren Vater dem Gericht übergeben.

Für Duterte ist Politik Kriegsgeschehen

Generell würde die Tochter das Erbe ihres Vaters wohl fortführen - zumal, wenn dieser als ihr Stellvertreter weiter großen Einfluss hat. Duterte hat das Land polarisiert. Ständig teilte er die Gesellschaft in Freunde und Feinde, und den Feinden begegnete er mit Gewalt und Bestrafung.

Die Feinde waren dabei nicht nur Drogendealer, sondern etwa auch kritische Journalisten oder politische Gegner, die beschimpft, eingeschüchtert und verklagt wurden. Ähnlich brachial begegnete Duterte der Corona-Krise: Er sprach von einem "Krieg" gegen einen "unsichtbaren Feind", der alle Bürger zu Soldaten mache. Die Bevölkerung sollte sich deshalb diszipliniert an die sehr strikten, monatelangen Lockdowns halten. Polizisten durchkämmten mit Sturmgewehren die Slums von Manila und scheuchten Bewohner in ihre überfüllten Hütten zurück, wenn diese sich nicht an die Ausgangssperren hielten.

Gleichzeitig hat sich Duterte das Image des Volkstribuns bewahrt, indem er etwa Korruptionsfälle in seiner Regierung als Verrat an seiner Person und der Bevölkerung darstellte. Zudem hat er ein Gespür für politische Inszenierungen, ein großes Talent, volksnah aufzutreten.

Seiner Tochter wird ein ähnliches politisches Gespür nachgesagt. Während für einen Teil der Bevölkerung die Dutertes die größtmögliche politische Katastrophe sind, sind sie bei einem anderen Teil sehr populär. Deshalb könnte es sein, dass die Philippinen bald von zwei Dutertes angeführt werden.