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Hauptsache: Krieg

Von Michael Schmölzer

Politik

In Deutschland wurden zwei Ex-Soldaten verhaftet, die offenbar im großen Stil in die Jemen-Kämpfe eingreifen wollten. Söldner sind weltweit im Einsatz, Krieg ist für sie oft der einzig denkbare Lebensinhalt.


Zwei ehemalige Bundeswehrsoldaten wollten mutmaßlich eine Söldnertruppe gründen, jetzt wurden die beiden Männer wegen des Verdachts, eine terroristische Vereinigung im Sinn gehabt zu haben, festgenommen. Die Bundesanwaltschaft wirft beiden vor, dass sie planten, mit einem 100 bis 150 Kopf starken Verband in den Bürgerkrieg im Jemen einzugreifen. Hauptsächliche Motivation, so die Bundesanwaltschaft, sei ein angestrebter Söldnerlohn von 40.000 Euro pro Monat gewesen - und zwar für jedes Mitglied der Einheit. Die sagenhafte Summe hätte Saudi-Arabien zahlen sollen, das im Jemen militärisch involviert ist und dort die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen bekämpft.

Derzeit toben erbitterte Kämpfe in der strategisch wichtigen Region Marib, die die Huthis um jeden Preis erobern wollen. Die von den Saudis und einer arabischen Koalition unterstützte jemenitische Regierung erleidet hier erhebliche Verluste.

Kämpfen, egal wofür

Den beiden jetzt inhaftierten Männern, so die deutschen Ermittlungsbehörden, sei bewusst gewesen, dass im Zuge ihres geplanten Einsatzes auch "Tötungshandlungen" hätten ausführen müssen. "Zudem rechneten sie damit, dass im Zusammenhang mit Kampfhandlungen auch Zivilisten getötet und verletzt werden würden." Über den Einsatz im Jemen hinaus sollen die ehemaligen Fallschirmjäger geplant haben, ihre Söldnertruppe weiter "als sogenanntes privates Militärunternehmen zu betreiben". Die Kampfgruppe sollte demnach auch für Einsätze in anderen Konflikten zur Verfügung zu stehen.

In der Tat sind auf den Kriegsschauplätzen dieser Welt zahlreiche Unternehmen tätig, die Söldner bereitstellen und dafür von den kriegsführenden Parteien große Summen verlangen. Einige Bekanntheit haben berüchtigte russische oder US-amerikanische Unternehmen wie Wagner oder Blackwater erlangt, denen immer wieder Kriegsverbrechen vorgeworfen werden. In einem Bericht der UNO vom Oktober 2021 etwa heißt es, dass russische Söldner im September 2019 Gefangene in Libyen erschossen haben. Wagner-Mitarbeiter, so die UNO, hätten Landminen in der Nähe von zivilen Gebäuden gelegt und so Unbeteiligte getötet.

Viele, die als "Private Contractors" in den Krieg ziehen, werden von den sehr guten Verdienstmöglichkeiten angelockt. Top-Verdiener der Branche bekommen 10.000 Dollar Minimum pro Monat. Wobei die Firmen hier Unterschiede machen: Ehemalige Kindersoldaten aus Afrika, die sich verpflichten, bekommen oft 1.200, manchmal nur 800 oder sogar nur 250 Dollar pro Monat.

Die Mitarbeiter der Söldnerfirmen waren meist lange Soldaten in regulären Armeen oder haben in Bürgerkriegen gekämpft. Oft haben sie ihre Heimat verloren, sind entwurzelt, vom Krieg psychisch gezeichnet und ohne jeden Anknüpfungspunkt für ein geordnetes Zivilleben.

In den letzten Jahren waren tschetschenische Söldner in großer Zahl auf den verschiedensten Schlachtfeldern zu finden. Diese Kämpfer gelten als brutale - oder, je nach Perspektive - furchtlose und höchst effiziente Krieger. Das hat unter anderem etwas mit den jüngsten historischen Erfahrungen zweier mörderischer Kriege zu tun, die weite Teile der tschetschenischen männlichen Bevölkerung brutalisiert und entwurzelt haben. "Den Kampf und das Töten haben sie als einziges Mittel erfahren, um sich gut zu fühlen, Wut und Frustration zu überwinden", so Psychologe Thomas Elbert in der deutschen "Zeit".

Von Söldnern, die aus reichen Ländern und privilegiertem sozialen Umfeld kommen, wird Krieg häufig als großes Abenteuer wahrgenommnen - als der ultimative "Kick". Es sind Menschen, denen das "normale", zivile Leben unerträglich erscheint. Krieg gibt es immer irgendwo und den Söldnern ist es egal, für welche Sache und wo sie kämpfen. Hauptsache, sie kämpfen.

"Fantastisches Gefühl"

In der "Spiegel"-Reportage "Schlacht um Rakka", ein Kampf, der im Oktober des Jahres 2017 in die Endphase ging, werden Söldner aus Europa vorgestellt. Die syrische Stadt war einst die inoffizielle Hauptstadt der Terrororganisation "Islamischer Staat", ehe die Stadt vor allem von kurdischen Kämpfern zurückerobert wurde.

Es war ein harter Kampf Haus um Haus - mit dabei aber immer Kriegstouristen, die auf Abenteuer aus waren und die in dem "Spiegel"-Video zu Wort kommen. Etwa ein Spanier, der seinen Namen nicht nennen will: "Wir sind gerade von drei Seiten vom IS umzingelt", sagt er in die Kamera. Und: "Wenn die Bomben fallen, müssen wir aufpassen, das ganze Haus wackelt dann. Manche Bomben fallen 50 bis 100 Meter entfernt. Sehr nahe".

Ein Brite, im Zivilberuf Schauspieler, kämpfte ebenfalls in Rakka. Warum? "Ich wollte IS-Leute töten", sagt er dem "Spiegel". In England werde man dafür eingesperrt, nur weil man hier in Rakka sei. Das könne er nicht verstehen, so der Brite der sagt, es sei ein "fantastisches Gefühl, weil ich den Feind töten kann". Dass der Feind ihn töten könnte, findet er "fein". Deshalb sei er hier.

Der Fall Nussbaumer

Tatsächlich getötet wurde der Österreicher Bert Nussbaumer, der als Söldner in den Irakkrieg ging. Er wurde im November 2006 entführt, als er gemeinsam mit vier US-Amerikanern im Irak verschleppt wurde. Der Ex-Bundesheersoldat war bei einem US-amerikanischen Sicherheitsunternehmen mit Sitz in Kuwait angestellt. Im März 2008 gab das FBI den Tod von Bert Nussbaumer bekannt, nachdem seine Leiche identifiziert worden war. Nussbaumer war Zeitsoldat beim Jagdkommando gewesen, später heuerte er bei dem privaten US-Sicherheitsunternehmen "Crescent Security Group" an, um im Irak "Hilfstransporte zu begleiten und Personenschutz vorzunehmen", wie es hieß.

Der Schriftsteller Ernst Jünger hat in seinem Buch "In Stahlgewittern" den Ersten Weltkrieg als großes Abenteuer beschrieben, das darin besteht, sich in Lebensgefahr zu begeben. Jünger - von den Nazis anfangs sehr hofiert - hat nach dem Zweiten Weltkrieg zudem viel mit Drogen experimentiert, weil das Gewöhnliche für ihn langweilig, lähmend war.

Gegenüber der "Wiener Zeitung" hat ein Hauptfeldwebel der Bundeswehr Krieg so beschrieben: "Je öfter man beschossen wird, desto normaler wird das. Und wenn man dann über mehrere Tage und Wochen nicht beschossen wurde und dann wieder beschossen wird, dann geht in einem so ein kleines Lächeln auf: Jetzt kann ich wieder arbeiten und funktionieren."