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Wieso Joe Biden und Franziskus einander brauchen

Politik

Vor dem G20-Gipfel in Rom und der UN-Klimakonferenz besuchten der US-Präsident und Indiens Premier den Papst.


Einen Kerzenständer und ein Buch über das Engagement Indiens für die Umwelt hatte Premierminister Narendra Modi für den Papst im Gepäck. Er besuchte den Vatikan kurz vor dem heutigen G20-Gipfel in Rom und der am Sonntag beginnenden UN-Klimakonferenz in Glasgow. Im Gegenzug gab es vom Pontifex für den indischen Regierungschef eine Bronzefliese mit der Aufschrift "Die Wüste wird zum Garten" und mehrere päpstliche Dokumente, darunter die diesjährige Friedensbotschaft und das Dokument über die menschliche Brüderlichkeit. Folgerichtig ging es in dem Gespräch der beiden neben der Corona-Pandemie - dem dominierenden Thema des G20-Gipfels - auch um den Klimaschutz.

Bereits am Freitag war US-Präsident Joe Biden zum Antrittsbesuch im neuen Amt beim Papst. Der gläubige Katholik hat damit ein neues diplomatisches Kapitel zwischen dem Weißen Haus und dem Heiligen Stuhl eröffnet, nachdem die Trump-Administration jahrelang einen offenen Konfrontationskurs zur vatikanischen Außenpolitik gepflegt hatte. Die Bilder von der Papstaudienz Donald Trumps im Jahr 2017 sind unvergessen: Der damalige US-Präsident grinst breit, während neben ihm Franziskus mit versteinerter Miene steht. Schon damals war klar, dass die beiden Staatsoberhäupter nicht miteinander konnten. In den folgenden Jahren verschlechterten sich die Beziehungen zwischen der Trump-Regierung und dem Heiligen Stuhl zusehends. Die Liste der Streitthemen war am Ende lang: China, Nahost, Migration, Klima, Atomwaffen, Todesstrafe. Bei kaum einer Frage, so gewann man den Eindruck, gab es einen gemeinsamen Standpunkt.

Ungewöhnlich lange Audienz

Das hat sich inzwischen geändert. Mit der Amtsübernahme des Katholiken Biden setzte Tauwetter ein. Vatikanische Medien, die im US-Wahlkampf keine Gelegenheit für Trump-kritische Beiträge ausließen, berichten nun deutlich wohlwollender über die USA. Besonders gut kommt an, dass Biden dem Klimaschutz einen höheren Stellenwert einräumt. Auch in Sachen Pandemie-Bekämpfung finden sich etliche Überschneidungen.

Darum ist es wenig verwunderlich, dass der neue Präsident bei seinem Antrittsbesuch am Freitag im Vatikan viel besser ankam als sein Vorgänger. Mit fast 90 Minuten dauerte die Audienz, die Franziskus ihm gewährte, ungewöhnlich lang. Barack Obama widmete er 2014 etwa 50 Minuten, Trump musste sich drei Jahre später mit einer halben Stunde begnügen. Ein diplomatischer Tiefpunkt war im Oktober 2020 erreicht. Der damals amtierende amerikanische Außenminister Mike Pompeo war eigens für ein Gespräch mit dem Papst nach Rom gereist, doch zum Kirchenoberhaupt ließ man ihn gar nicht erst vor.

Die Antipathie kam nicht von ungefähr. Der Kurs des "America first" war in vielerlei Hinsicht das genaue Gegenteil der von Franziskus geforderten "Geschwisterlichkeit". Diplomaten beider Seiten suchten schließlich die offene Konfrontation. Pompeo etwa kritisierte die Annäherung des Vatikan an China medienwirksam als unmoralisch.

Diplomatischer Neustart im Juni

Ganz anders verhielt sich im Juni der neue US-Außenminister Antony Blinken, als er im Vatikan einen diplomatischen Neustart in die Wege leitete. Konfliktthemen sprach er überhaupt nicht an. Stattdessen bemühte er sich, Zeichen des Entgegenkommens zu setzen.

Biden knüpfte am Freitag nahtlos an diesen Stil an. Es sei ihm "eine Ehre" gewesen, den Papst zu treffen, schrieb der Präsident nach der Audienz über Twitter. Das Weiße Haus veröffentlichte mehrere Erklärungen, in der das Engagement des 84-Jährigen in den höchsten Tönen gelobt wird. Franziskus sei einer der führenden Köpfe im Kampf gegen den Klimawandel, heißt es darin.

Der Papst als politischer Verbündeter

Im Vatikan nimmt man dies erfreut zur Kenntnis. Es bietet sich die Gelegenheit, künftig wieder stärkeren Einfluss auf die Geschicke der Supermacht USA zu nehmen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Biden den Papst als politischen Verbündeten braucht. Denn der zweite katholische US-Präsident nach John F. Kennedy sieht sich im eigenen Land schwerwiegenden Anfeindungen aus dem konservativen Lager ausgesetzt.

Die US-Bischofskonferenz sorgte mit der Ankündigung eines Lehrschreibens zur "Eucharistie-Würdigkeit" für Aufsehen. Kritiker befürchten, der Schritt könnte darauf abzielen, Biden und anderen katholischen Politikern wegen ihrer liberalen Haltung zur Abtreibung die Kommunion zu verweigern.

Nach einer Intervention des Vatikan, der zu einer überlegteren Gangart mahnte, ruderten die Bischöfe zwar zurück, aber ganz vom Tisch ist das Thema noch nicht. Bei der bevorstehenden Herbstversammlung der US-Bischofskonferenz könnte es erneut für Unruhe sorgen. Im äußersten Fall droht eine persönliche Brüskierung des Präsidenten durch seine eigene Kirche.

Vor einigen Wochen schaltete sich Franziskus persönlich in die Debatte ein. "Die Kommunion ist keine Auszeichnung für perfekte Menschen", sagte er vor mitreisenden Journalisten auf dem Rückflug von Bratislava nach Rom. Vielmehr handele es sich um ein "Geschenk". Er halte nichts davon, daraus ein Politikum zu machen. Für Priester und Bischöfe müsse stets die Seelsorge im Vordergrund stehen. Im Weißen Haus wird man diese Worte gerne vernommen haben. (kathpress)