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Kontrolle ist Macht: KP-Chef Xi greift nach dritter Amtszeit

Von Klaus Huhold

Politik

Xi soll noch mehr Kontrolle über die Partei bekommen - die zusehends auf den Alltag der Chinesen zugreift.


Wer durch China reist, entgeht nicht seinem Blick: Überall im Land begegnet man Xi Jinping, sei es in staatlichen Museen auf meterhohen Plakaten oder in abgelegenen Dörfern als kleine Statue. Begleitet wird diese Präsentation des Staatschefs und Generalsekretärs der Kommunistischen Partei (KP) von viel Propaganda.

Diese läuft dieser Tage wieder auf Hochtouren: Der 68-Jährige sei ein "Mann der Entschlossenheit und des Handelns, ein Mann profunder Gedanken und Gefühle", verkündeten nun staatliche Medien. Nicht nur Xis Visionen und harte Arbeit wurden gepriesen, sondern auch sein "großer politischer Mut und seine Weisheit" im Kampf gegen die Corona-Pandemie. "Am Steuer dieses großen Schiffes steht ein Mann", hieß es.

Das ist eine Anspielung auf Mao Tsetung, der einst ebenfalls als "großen Steuermann" bezeichnet wurde. Dass ausgerechnet der Vergleich mit dem Staatsgründer der Volksrepublik gewählt wurde, ist ebenso wenig Zufall wie der Zeitpunkt der Veröffentlichung. Denn am Montag kam das rund 370-köpfige KP-Zentralkomitee in Peking zu einem viertägigen Plenum zusammen. Und bei diesem Treffen soll es Xi ermöglicht werden, mehr als zwei Amtszeiten an der Staatsspitze zu stehen - er wäre damit der erste Parteiführer seit Mao, dem das zugestanden wird.

Das ideologische Sprungbrett dorthin ist die nach 1954 und 1981 dritte "historische Resolution", die bei dem Plenum vorgestellt und verabschiedet werden soll. Sie soll noch einmal die Errungenschaften der Partei zusammenfassen, und ein großes Augenmerk wird dabei auf der bisher neunjährigen Amtszeit von Xi liegen.

Auch hier gibt die Propaganda schon Aufschluss, wie Xi betrachtet werden soll: In einer Reihe mit Mao und dem Reformer Deng Xiaoping, dessen Öffnung des Wirtschaftssystems den jahrzehntelangen Aufschwung der Volksrepublik einleitete. Während sich China unter Mao einst "erhoben" hat, dann unter dem Reformarchitekten Deng "reich" wurde, sei das Land unter Xi Jinping so mächtig wie nie zuvor, wurde verkündet. Damit diese "neue Ära" zu Ende geführt werden kann, muss nun Xi länger als vorgesehen, also über das Jahr 2022 hinaus, herrschen.

Ex-Geheimdienstchef wird Illoyalität vorgeworfen

Offenbar sieht sich Xi berufen, die aufstrebende Weltmacht China noch mehr emporzuheben - technologisch, wirtschaftlich und politisch. Dafür braucht er nicht nur persönliche Machtfülle. Eines der Leitmotive seines Wirkens an der Parteispitze war nämlich die Ausweitung der Kontrolle: seiner eigenen über die Partei und die der Partei über die chinesische Gesellschaft.

So bekamen die Parteikader in den Betrieben oder den Provinzen unter Xi wieder stärkeren ideologischen und disziplinären Druck zu spüren. Und es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass nun vor dem Plenum noch einmal im Sicherheitsapparat und in Justizkreisen aufgeräumt wurde: Dem verhafteten früheren Geheimdienstchef Sun Lijun wird Illoyalität gegen die Parteiführung vorgeworfen und auch Ex-Justizminister Fu Zhenghua ist wegen mangelnder Parteidisziplin mit einem Verfahren konfrontiert.

Gleichzeitig stößt die Partei immer mehr in den Alltag der Chinesen vor: Zensur und Überwachung wurden verschärft, selbst Volksschüler müssen teils schon die Lehren von Xi Jinping lernen. Zuletzt gab es gar einen Erlass, wonach Kinder und Jugendliche nur noch drei Stunden in der Woche am Computer spielen dürfen.

Auch prominente Chinesen spüren zusehends den Atem der Partei im Nacken: Der KP ist der Fankult um Schauspieler ein Dorn im Auge, da dieser falsche moralische Werte vermitteln würde. Herausragendstes Beispiel ist die Sängerin und Schauspielerin Zhao Wei, deren gesamte Präsenz im Internet mehr oder weniger ausgelöscht wurde. Ebenso müssen sich Wirtschaftstreibende dem Diktat der KP beugen: So entschuldigte sich Alibaba-Gründer Jack Ma nach Kritik an der Regierung öffentlich, und generell haben die Behörden wieder schärfere Regeln vor allem für Tech-Konzerne erlassen.

In Xis China ist immer weniger Raum neben der Partei, deren Vormachtstellung ein unverrückbarer ideologischer Grundpfeiler ist. Die Partei wiederum legitimiert sich durch den wachsenden Wohlstand, für den ihre Politik sorgt. Xi will nun unter dem Schlagwort "Gemeinsamer Wohlstand" den Reichtum des Landes künftig gerechter verteilen.

Die USA werden als Weltmacht im Niedergang betrachtet

Zudem begründet die KP ihren Herrschaftsanspruch damit, dass sie China wieder zu internationaler Größe zurückführt. Das hat Xi in seinen Reden immer wieder als seine Mission benannt. Laut zahlreichen Parteiideologen befinden sich die USA im Niedergang oder zumindest in einer Schwächephase - was nicht zuletzt das Debakel beim Abzug aus Afghanistan bewiesen hat. Demnach öffnet sich für China die Tür, in einer zusehends multipolaren Welt mehr Einfluss zu erlangen. Und Xi will die Gelegenheit ergreifen, durch diese Tür hindurchzugehen. Dafür braucht er aber im eigenen Land Stabilität, Ruhe - und Kontrolle.