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Waffenstillstand an der Klimafront

Von Ronald Schönhuber

Politik

Die wachsende geopolitische Konkurrenz zwischen den USA und China hat zu massiven Spannungen zwischen den beiden Supermächten geführt.


Wie angespannt das Verhältnis zwischen der alten und der neuen Supermacht ist, zeigt nicht zuletzt jene Videobotschaft, die Xi Jinping einen Tag vor dem Asien-Pazifik-Gipfel der Apec-Staatengemeinschaft geschickt hat. In der knapp fünfminütigen Rede spricht der chinesische Präsident zwar auch über den gemeinsamen Kampf der Mitgliedsstaaten gegen die Corona-Pandemie und Freihandelspolitik, doch vor allem geht es ihm um den großen geopolitischen Rivalen USA. Xi, der soeben vom Zentralkomitee der Kommunistischen Partei die Zustimmung für eine dritte Amtszeit als Staatschef bekommen hat, spricht von versuchter Diskriminierung aufgrund ideologischer Unterschiede, und er warnt vor einer Eskalation der Spannungen und einem Rückfall in die Ära des Kalten Krieges.

Xis Sorge ist nicht ganz unberechtigt. Schon der Handelskrieg und die erratische Politik, die Donald Trump bis zu seiner Abwahl als US-Präsident im November 2020 verfolgt hat, haben tiefe Spuren hinterlassen, die wohl nicht so schnell verschwinden werden. In den vergangenen Monaten haben das aggressive Vorgehen der Volksrepublik im Südchinesischen Meer und die Einschüchterungsversuche gegenüber Taiwan den Konflikt aber nochmals deutlich angeheizt. Die Beziehungen sind von Misstrauen geprägt, in den umstrittenen Meeresgebieten belauern sich die USA und China mit Patrouillenfahrten und Aufklärungsflügen.

Eine Frage des Vertrauens

Die Vorzeichen für eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen den beiden Konkurrenten sind also denkbar schlecht. Allerdings gibt es, wie sich seit dem Amtsantritt von Joe Biden immer wieder gezeigt hat, eine Ausnahme. Denn sowohl in Peking als auch in Washington herrscht mittlerweile Konsens darüber, dass sich der Kampf gegen den Klimawandel nur dann gewinnen lässt, wenn auch die jeweils andere Seite mit an Bord ist.

Und anders als bei anderen Themenfeldern funktionieren in diesem Bereich auch die diplomatischen Kanäle nahezu friktionsfrei. So sind der ehemalige US-Außenminister und nunmehrige Klimaschutzbeauftragte John Kerry und sein chinesisches Pendant Xie Zhenhua im vergangenen halben Jahr nicht nur regelmäßig zu Klimaverhandlungen zusammengekommen. Die beiden Spitzendiplomaten, die sich seit mehr als 20 Jahren kennen, verfügen auch über eine entsprechende persönliche Vertrauensbasis.

Deutlich sichtbar ist das nun auch beim Klimagipfel im schottischen Glasgow geworden, wo Kerry und Xie am Mittwochabend einen Kooperationspakt für mehr Klimaschutz verkündet haben. "Beide Seiten erkennen an, dass es eine Kluft zwischen den gegenwärtigen Bemühungen und den Zielen des Pariser Klimaabkommens gibt", sagte Xie.

Xie zufolge will die Volksrepublik, die mit deutlichem Abstand auf die USA der weltgrößte Klimasünder ist, nun vor allem den Ausstieg aus der besonders CO2-intensiven Kohleverstromung beschleunigen. In China sind trotz der massiven Investitionen in erneuerbare Energien nach wie vor mehr als tausend Kohlekraftwerke in Betrieb, weitere 240 sind geplant oder werden gerade gebaut. Außerdem will China seine hochgradig klimaschädlichen Methanemissionen viel stärker reduzieren als bisher geplant.

Hoffen auf Rückenwind

Unmittelbar vor dem Klimagipfel war noch befürchtet worden, dass China sein Klimaschutzengagement wegen der akuten Energieknappheit im eigenen Land spürbar zurückfährt. So hat die Volksrepublik, die nach der Absage von Xi in Glasgow nicht auf höchster Regierungsebene vertreten ist, ihr überarbeitetes Klimaziel nicht nur quasi in der letzten Minuten eingereicht. Mit dem Bekenntnis, die CO2-Emissionen ab 2030 senken zu wollen, um dann 2060 Klimaneutralität zu erreichen, enthielt das Dokument im Wesentlichen auch nur das, was bisher schon bekannt war.

Nun wird vor allem darauf gehofft, dass der Kooperationspakt zwischen China und den USA den nötigen Rückwind für die letzte Phase der am Freitag offiziell zu Ende gehenden Klimakonferenz bringt. "Es ist wirklich ermutigend zu sehen, dass die beiden Länder, die in so vielen Bereichen Probleme miteinander haben, eine gemeinsame Basis gefunden haben", sagt der für die Klimaagenden verantwortliche EU-Vizepräsident Frans Timmermans. "Das wird mit Sicherheit helfen, hier in Glasgow zu einer Einigung zu kommen."