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Was vom Klimapakt bleiben wird

Von Larissa Schwedes

Politik

Die Warnungen vor der 26. Weltklimakonferenz in Glasgow waren deutlich, die Erwartungen riesig.


Bevor er den Hammer fallen lässt, um den Klimapakt von Glasgow zu besiegeln, kämpft Alok Sharma mit den Tränen. "Ich bitte um Verzeihung für die Art, wie das gelaufen ist", sagt der britische Präsident der UN-Weltklimakonferenz am Samstagabend. Kurz zuvor hatten China und Indien einem im Voraus schon als "historisch" gefeierten Satz zum Ende der Kohle in letzter Minute einiges von der Wirkung genommen.

In der Abschlusserklärung der rund 200 Staaten (detaillierte Aufstellung der in Glasgow beschlossenen Punkte am Ende des Artikels) ist nun nicht mehr vom Ausstieg (phase-out) die Rede, sondern nur noch vom Abbau (phase-down). Mehrere Länder empören sich über diese "bittere Pille". Sie werfen Sharma vor, sie hinters Licht geführt zu haben. Auf diese Weise werde ihr der Beschluss genommen, den sie stolz nach Hause getragen hätten, sagt die Vertreterin der pazifischen Marshall-Inseln, Tina Stege. Sie stimme nur zu, weil andere Elemente des Textes eine "Rettungsleine" für die Menschen in ihrer Heimat seien.

Dazu muss man wissen: Es ist das erste Mal in der Geschichte der Klimakonferenz, dass Kohle - eine der größten Verursacher des Klimawandels - überhaupt in einem Vertragstext erwähnt wird. Was wenig konkret klingt, ist trotz allem ein diplomatisches Meisterstück.

Wie viel Schweiß und Überzeugungsgeschick es kostet, den größten gemeinsamen Nenner unter fast 200 Ländern zu finden, wird in den letzten Stunden des Gipfels sichtbar, als die Verhandelnden im Plenum stundenlang durcheinander schwirren, gestikulieren und in Pulks über die großen Knackpunkte diskutieren. Der US-Sondergesandte fürs Klima, John Kerry, zieht hin und her, ein Wort zum chinesischen Verhandler hier, ein Schulterklopfen mit Präsident Sharma dort. Bis am Ende ein Text steht, den viele als "nicht perfekt" beschreiben - aber von dem nicht weniger als die Zukunft des Planeten abhängen soll.

Hilfsorganisationen bemängeln Hilfsvolumen

"Wenn wir heute nicht handeln, werden in der Zukunft sehr gruselige Dinge passieren", warnt die Verhandlerin des Inselstaats Palau, vom steigenden Meeresspiegel bedroht, in der letzten Sitzung vor Abstimmung die Delegierten. Ihre Kollegin von den Marshall-Inseln erinnert an die letzte, fast ergebnislose Klimakonferenz in Madrid. "Können wir zurück auf unsere Inseln gehen mit nichts in der Hand? Aus meinem Land ist die Antwort: Nein."

Die Schere zwischen Arm und Reich, und was sie im Kampf gegen die Klimakrise bedeutet, ist eine der hässlichen Seiten des Mammuttreffens mit 40.000 Delegierten, das schließlich fast 30 Stunden in die Verlängerung ging. "Es ist ganz schön bitter, dass auch bei dieser Klimakonferenz die vulnerablen Länder von der EU und den USA an den Rand gedrängt wurden und nicht zugesagt bekommen haben, dass es wirklich vorangeht mit der Unterstützung bei der Bewältigung der Klimafolgeschäden", sagt Klima-Experte Jan Kowalzig von Oxfam.

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Mehr Geld für Klimaschutz und Anpassung soll es zwar geben, aber ihre Zusagen haben die reichen Länder bislang nicht gehalten. Für Schäden gibt es nun zwar einen neuen Topf - aus dem soll aber nur technische Unterstützung gezahlt werden, nicht für die Schäden selbst. Kowalzig meint: "Das ist, als wenn der Brandstifter dem Eigentümer des zerstörten Hauses sagt: Ich zahle aber nur den Architekten für den Neubau." Ohne Geld aus den reichen Industrienationen, die für rund 80 Prozent aller Emissionen verantwortlich sind, geht aber nicht nur kein Wiederaufbau, sondern auch kein effizienter Klimaschutz.

Zu wenig weitreichende Klimapläne

Die "Bombe entschärft" - wie Gastgeber Boris Johnson es zu Beginn als Ziel ausgab - hat Glasgow also nicht. Das liegt schon allein daran, dass viele Staaten vor dem Gipfel ihre Hausaufgaben nicht gemacht und keine ehrgeizigen Klimaschutzpläne bei den UN eingereicht hatten - eine Hypothek für den Gipfel schon zum Start.

Sogar Johnson selbst gibt zu, dass noch sehr, sehr viel zu tun sei. "Wir dürfen uns nichts vormachen: Wir haben den Klimawandel nicht geschlagen", sagt der Premierminister in der Nacht in einem Videoclip aus der Downing Street. Bescheidenheit kommt dem Briten trotzdem nicht in den Sinn. "Ich hoffe, dass wir auf die COP26 in Glasgow als Anfang vom Ende des Klimawandels zurückblicken werden."

Von all den Zahlen, mit denen die Verhandler in Schottland jonglierten, steht eine im Zentrum: 1,5 Grad. In der Wissenschaft gilt mittlerweile als Konsens, dass katastrophale Klimafolgen nur abgewendet werden können, wenn sich die Erde nicht stärker erhitzt. Die Umweltministerin der Malediven, Aminath Shauna, sagt: "Der Unterschied zwischen 1,5 und zwei Grad ist für uns ein Todesurteil."

Was bleibt nun also von dem Treffen, das das das 1,5-Grad-Ziel am Leben erhalten sollte? Für Greta Thunberg ist die Sache klar: "Blah, blah, blah". Ein Urteil, das die Klimaaktivistin schon gefällt hatte, lange bevor in Glasgow der Hammer fiel - weil das, was die Staaten bisher tun oder zusagen, eben bei weitem nicht ausreicht. Bis Ende nächsten Jahres soll deshalb nachgebessert werden. In Scharm el-Sheich in Ägypten steht im November 2022 der nächste Gipfel an.

Ein wenig Hoffnung für die Zukunft seines Enkelsohns, den er am Vortag auf seinem Handy noch den Kameras der Welt gezeigt hatte, nimmt EU-Klimakommissar Frans Timmermans aus Glasgow aber mit. Zwar ist er enttäuscht von der Kohle-Formulierung, aber auch beeindruckt, dass sich die Staaten am Ende doch erneut einig geworden sind. "Es hört hier nicht auf", sagt der Niederländer nach dem entscheidenden Hammerschlag. "Das hier ist nur der Anfang." (dpa)

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Was in Glasgow konkret beschlossen wurde:

<i>MEHR EHRGEIZ</i>

Die Staaten räumen ein, dass die bisher eingegangenen Verpflichtungen zum Abbau der Emissionen von Treibhausgasen bei weitem nicht ausreichen. Deren Ziel ist es eigentlich, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen im Vergleich zu den vorindustriellen Temperaturen. Um dieses Problem zu lösen, sollen die Regierungen die Ziele bis zum Ende des nächsten Jahres verschärfen. Bislang war das nur alle fünf Jahre geplant.

<i>FOSSILE BRENNSTOFFE IM VISIER</i>

Der Pakt enthält erstmals eine Formulierung, die die Länder auffordert, ihre Abhängigkeit von Kohle zu verringern und die Subventionen für fossile Brennstoffe zurückzufahren. Diese sind nach Ansicht von Wissenschaftlern die Hauptursache für den vom Menschen verursachten Klimawandel.

<i>ZAHLUNGEN AN ARME UND GEFÄHRDETE LÄNDER</i>

Bei den Forderungen der ärmeren Länder, dass die reichen Industriestaaten - die bislang für die meisten Emissionen verantwortlich sind - zur Kasse gebeten werden, hat das Abkommen einige Fortschritte gemacht. So werden die Industrieländer aufgefordert, ihre für Schwellenländer zur Anpassung an den Klimawandel bereitgestellten Finanzmitteln bis 2025 mindestens zu verdoppeln im Vergleich zu 2019.

<i>REGELN FÜR GLOBALE KOHLENSTOFFMÄRKT</i>E

Die Verhandler einigten sich auf Regeln für den CO2-Emissionshandel, die möglicherweise Billionen von Dollar für den Schutz der Wälder, den Bau von Anlagen für erneuerbare Energien und andere Projekte zur Bekämpfung des Klimawandels freisetzen könnten.
Das Abkommen sieht nun einige Maßnahmen vor, die sicherstellen sollen, dass Gutschriften nicht doppelt auf nationale Emissionsziele angerechnet werden. Der bilaterale Handel zwischen Ländern wird nicht besteuert, um die Finanzierung von Klimaanpassungsmaßnahmen zu unterstützen. Dies war eine Kernforderung der ärmeren Länder.
Die Unterhändler einigten sich auch auf einen anderen Kompromiss: Dieser legt einen Stichtag fest, an dem Gutschriften, die vor 2013 ausgestellt wurden, nicht mehr übertragen werden können. Damit soll sichergestellt werden, dass nicht zu viele alte Gutschriften den Markt überschwemmen und zu Käufen anstelle von neuen Emissionssenkungen anregen.

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