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Nächster Akt bei politischer Auslöschung Suu Kyis

Von Klaus Huhold

Politik

Im Prozess gegen Oppositionsführerin wird kommende Woche ein erstes Urteil erwartet. Dabei ist das Ziel der Junta offensichtlich.


Die Anklagepunkte sind so weitreichend, dass man kaum zu einem anderen Schluss kommen kann, als dass es sich um einen Schauprozess handelt: Myanmars Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi ist unter anderem wegen Wahlbetrugs, der Anstiftung zu öffentlichem Aufruhr oder auch wegen angeblicher Verstöße gegen die Corona-Regeln und dem illegalen Besitz von Funkgeräten angeklagt. Der 76-Jährigen werden ein Dutzend Vergehen vorgeworfen, für die sie mit rund 100 Jahren Gefängnis belangt werden kann.

Der erste offizielle Urteilsspruch war eigentlich für Dienstag anberaumt, und zwar im Verfahren wegen Anstiftung zum öffentlichen Aufruhr. Die Entscheidung verzögert sich jedoch und wird erst am kommenden Montag verkündet.

Die Friedensnobelpreisträgerin wird höchstwahrscheinlich verurteilt werden. Sollte sie freigesprochen werden, bedeutet das auch nicht viel: Das könnte eine Taktik sein, um dem Prozess einen rechtsstaatlichen Anstrich zu geben und Suu Kyi dann später schuldig zu sprechen.

Geschickte Strategin

Zumal klar ist, dass dabei die Militärjunta rund um Staatschef Min Aung Hlaing die Fäden zieht. Das Ziel der Generäle, die im Februar vergangenen Jahres geputscht haben, ist recht offensichtlich: Sie wollen Suu Kyi von der Bildfläche verschwinden lassen, sie als politische Figur auslöschen.

Dafür sprechen auch die Umstände des Prozesses: Er findet hinter verschlossenen Türen statt, Suu Kyi wird von der Außenwelt isoliert und ihren Anwälten haben die Machthaber einen Maulkorb verpasst, sodass diese nicht mit internationalen Medien reden dürfen.

Der Prozess droht der letzte Akt in dem Ringen zwischen dem Militär und der Tochter des Unabhängigkeitshelden Aung San zu werden: Nach jahrzehntelanger Diktatur, in der Suu Kyi insgesamt 15 Jahre unter Hausarrest gehalten wurde, leitete die Armee Anfang der 2010er Jahre eine Öffnung ein. Suu Kyi beteiligte sich nach anfänglichem Zögern an diesem Übergangsprozess. Bei der Wahl 2015 eroberte die von ihr angeführte Nationale Liga für Demokratie (NLD) die Parlamentsmehrheit.

Suu Kyi erwies sich daraufhin als geschickte Strategin, indem sie den Interpretationsspielraum der noch jungen Verfassung ausnutzte. So hatte diese einen starken Präsidenten nach US-Vorbild vorgesehen, der aus den Reihen des Militärs kommen sollte. Doch Suu Kyi ergriff die Gelegenheit, die sich ihr dadurch bot, dass die Institutionen in dieser Übergangsphase noch nicht aufeinander eingespielt waren. Als Anführerin der größten Partei machte sie sich de facto zur Regierungschefin und führte mit der Mehrheit der Abgeordneten im Rücken das Land aus dem Parlament heraus. Dem Präsidenten blieben nur noch zeremonielle Aufgaben. Und während sie im Westen wegen ihres Schweigens zu der brutalen Verfolgung Rohingya viel Ansehen verlor, knüpfte Suu Kyi zu China, Myanmars wichtigstem Nachbarland, gute Kontakte.

Uhren zurückgedreht

Der erneute Wahlsieg der NLD im Herbst 2020 unterstrich noch einmal die Popularität der "Lady," wie Suu Kyi in Myanmar genannt wird. Die Armee musste fürchten, dass Suu Kyi mit diesem starken Volksmandat noch mächtiger wird. Die Generäle erhoben plötzlich den Vorwurf des Wahlbetrugs, ohne jemals stichhaltige Beweise vorzulegen. Sie putschten - und drehten die Uhren in Myanmar zurück.

Denn die gegenwärtigen Verhältnisse erinnern in vielem an die vorangegangene Militärherrschaft: Das Land ist international weitgehend isoliert - wobei sich aber China mit der neuen Konstellation arrangiert hat. Internationale Investoren ziehen sich zurück, die Währung verfällt und die Armut schreitet voran.

Und nicht nur Suu Kyi, die gesamte Opposition wird brutal verfolgt: Laut der Menschenrechtsorganisation "Vereinigung für politische Gefangene" befinden sich - Stand Montag - 7.608 Oppositionelle in Haft und wurden 1.297 Bürger durch die Junta seit dem Putsch getötet.

Geändert hat sich aber, dass die Bürger Myanmars in den vergangenen zehn Jahren den Hauch der Freiheit und teilweise auch des wirtschaftlichen Aufschwungs gespürt haben. Viele wollen dies nicht mehr hergeben.

Es gibt immer wieder Streiks und im Verwaltungsapparat Absetzbewegungen vom Militär. Ein Teil der Opposition ist gar in den bewaffneten Widerstand übergegangen und hat sich mit ethnischen Rebellengruppen zusammengeschlossen. Mit der "Nationalen Einheitsregierung" hat sich eine Parallelregierung auf Grundlage des Wahlergebnisses gebildet, die die Widerstandskräfte zu bündeln versucht und internationale Kontakte knüpft - so wurde sie etwa schon vom Europaparlament als legitime Vertretung Myanmars anerkannt.

Die Junta muss sich also auf einen beharrlichen Widerstand einstellen - daran wird auch eine Verurteilung Suu Kyis nichts ändern. Solange die Armee aber eine Einheit bleibt - und das ist sie bei allen größeren Aufständen bisher geblieben -, wird es schwer sein, sie von der Macht zu verdrängen. Denn das Militär hat rund 350.000 Mann unter Waffen und keine Skrupel, Gewalt gegen seine Gegner einzusetzen.