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Am Kap der getäuschten Hoffnung

Von Michael Schmölzer

Politik

Die Omikron-Variante breitet sich in Südafrika aus, der Bevölkerung stecken noch die vergangenen Wellen in den Knochen.


Niedergeschlagenheit, gepaart mit Verzweiflung: So kann die Stimmung in Südafrika umrissen werden - jenem Land, in dem die Omikron-Variante des Coronavirus zuerst entdeckt wurde und wo die Infektionszahlen sprunghaft in die Höhe schießen. Die Daten weisen auf eine Vervierfachung der Fälle pro Woche hin, in der Region Gauteng, wo die neue Variante großflächig kursiert, ist laut Weltgesundheitsorganisation WHO eine "Verhundertfachung" im Verlauf des Novembers beobachtbar.

Dabei hatte es zuletzt so gut ausgesehen: Mitte November noch waren es weniger als 300 Neuinfektionen täglich in einem Land mit 60 Millionen Einwohnern; die Inzidenzwerte waren gering. Ähnlich wie in Österreich war am Kap die Hoffnung groß, dass es nun wieder bergauf geht, dass sich die von den vergangenen Corona-Wellen hart getroffene Wirtschaft erholt und die Touristen wieder ins Land kommen. Denn der Sommer 2020 war von einem massiven Anstieg der Neuinfektionen geprägt, ebenso der Jänner 2021 und dann wieder der Sommer 2021. Geschäfte blieben zu, Südafrikas Wirtschaft brach ein.

Demonstrative Gelassenheit

Die jüngste Entwicklung kommt einem weiteren Tiefschlag gleich. Die ausländischen Gäste, die noch im Land sind, suchen das Weite, auf den Flughäfen herrschte zeitweise das Chaos. Eine Katastrophe für ein Land, das zu einem bedeutenden Ausmaß vom Tourismus abhängig ist. Stellenweise hängen bis zu 40 Prozent der Jobs an diesem Wirtschaftszweig.

Doch jetzt werden weltweit die Grenzen für Reisende aus den Ländern des südlichen Afrika geschlossen, Heimkehrer werden genau kontrolliert. Viele Staaten haben die Flugverbindungen nach Südafrika gekappt.

Die absehbaren Folgen sind so gravierend, dass UN-Generalsekretär Antonio Guterres vor einer Isolation des südlichen Afrika warnt. Die Restriktionen seinen in der Tat "ein Hammerschlag für den wichtigsten Arbeitsplatzmotor der Provinz", zitiert die Nachrichtenagentur Reuters Alan Winde, den Regierungschef der Provinz Western Cape.

Da hilft es auch nicht, dass die Regierung in Pretoria demonstrativ Gelassenheit propagiert. Von einem Lockdown, wie er in Österreich verhängt wurde und in anderen europäischen Ländern diskutiert wird, ist hier nicht die Rede. Einschränkungen im öffentlichen Leben gibt es kaum, es gilt die unterste Alarmstufe. Immerhin wird über eine Impfpflicht für alle diskutiert. In Südafrika sind rund 25 Prozent der Bevölkerung geimpft - das ist für europäische Verhältnisse extrem wenig, für afrikanische allerdings viel. Zugleich ist Südafrika das am schwersten von der Pandemie betroffene Land in Afrika. Bisher sind dort knapp drei Millionen Fälle dokumentiert. Rund 90.000 Menschen starben an den Folgen einer Infektion.

Glaube an Wundermittel

Impfstoffe wären in Südafrika in ausreichenden Ausmaß vorhanden, die Zahl der Impfskeptiker ist allerdings groß. So vertraut ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung traditionellen Heilmitteln, etwa verschiedenen "Wunderpflanzen", die angeblich das Immunsystem stärken. Rund 80 Prozent der Südafrikaner konsultieren regelmäßig Heiler, die Tinkturen und andere dubiose Zaubermittel aus diversen Kräuterextrakten verschreiben.

Die Omikron-Variante trifft dieser Tage vor allem die jüngere Bevölkerung Südafrikas, es haben sich auch Menschen angesteckt, die eine Erkrankung bereits hinter sich haben. Europäische Virologen äußern den Verdacht, dass es sich bei Omikron um die erste wirkliche Immunfluchtmutante handeln könnte.

Derzeit gibt es starke Indizien, dass die neue Corona-Variante nicht tödlicher ist als die bisher vorherrschenden. Und es gibt Anlass zur Hoffnung, dass Geimpfte auch im Fall von Omikron besser geschützt sind als Ungeimpfte. Wirklich gesicherte Ergebnisse wird es aber erst in einigen Wochen geben.

Erste Hinweise auf die neue Corona-Variante kamen laut Wissenschaftern aus Botsuana, von Südafrikas nördlichem Nachbarn. Dort wurde zuerst eine der Sequenzen identifiziert. Die Angaben aus Botsuana halfen den südafrikanischen Experten, nach weiteren Untersuchungen den steilen Anstieg der täglichen Infektionszahlen im eigenen Land mit der neuen Variante zu erklären.

Bei den ersten Verdachtsfällen in Botsuana soll es sich um vier nicht näher bestimmte ausländische Diplomaten gehandelt haben. "Das Quartett wurde am 11. November positiv getestet", so die Regierungssprecherin Shirley Mukamambo. Die Analyse der Ergebnisse habe dann am 22. November den Hinweis auf eine neue Virus-Variante ergeben, die schließlich am 24. November als B 1.1.529, "Omikron", bekanntgemacht wurde.