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Omikron in London bereits dominant

Von Klaus Huhold und Michael Schmölzer

Politik

Jüngste Corona-Mutation breitet sich global rasant aus. Viele Länder reagieren mit verschärften Maßnahmen.


Sie fallen wie die Dominosteine: Weltweit gibt ein Land nach dem anderen nun die ersten Omikron-Fälle bekannt. Nun haben etwa Indonesien, Kenia oder Ruanda die ersten Fälle dieser Corona-Mutation entdeckt. Generell scheint es, dass kein Staat verschont bleibt: Selbst China hat trotz seines dicht geknüpften Überwachungsnetzes bei Einreisen zwei Omikron-Fälle verzeichnen müssen, wobei einer davon durch das Land gereist ist.

Viel lässt sich über die neue Mutation noch nicht sagen, aber offensichtlich ist, dass sie hochansteckend ist. Das zeigen die Zahlen in den Ländern, wo Omikron auftritt. In Südafrika, wo die Mutation zuerst entdeckt wurde, meldeten die Behörden am Mittwoch mit 26.976 Infektionen binnen eines Tages den höchsten Stand seit Pandemiebeginn.

Unklar ist, inwieweit sich Omikron schon in Afrika ausgebreitet hat, sind auf dem Kontinent doch die Kapazitäten für Tests und auch Sequenzierungen viel geringer. Am ganzen Kontinent ist jedenfalls in der zweiten Dezemberwoche die Zahl der Fälle um satte 83 Prozent gestiegen. Unklar ist, welchen Anteil Omikron daran hat. Auf alle Fälle verschärfen nun einige Länder wegen der Mutation ihre Maßnahmen. Ghana etwa hat bereits sämtliche Einreisen über den Landweg untersagt.

Auch in Europa versucht man, die rasche Verbreitung der Omikron-Variante mit teils drastischen Maßnahmen aufzuhalten. In Dänemark etwa dürfte diese hochansteckende Mutation bereits vorherrschend sein - jetzt wurden die Schulkinder bis zur zehnten Klasse vorzeitig nach Hause geschickt. Was bleibt, ist eine Notbetreuung. Die Nachtgastronomie ist mit heutigem Freitag geschlossen, Konzerte mit mehr als 50 Gästen sind untersagt. Premierministerin Mette Fredriksen appellierte an die Menschen, ins Homeoffice zu gehen und Weihnachtsfeiern abzusagen.

Denn auch in Dänemark verdoppelt sich die Zahl der Omikron-Neuinfektionen alle zwei Tage. Der Siegeszug der Mutation kann offenbar nicht mehr aufgehalten, sondern nur noch verzögert werden.

Das versucht man auch in Großbritannien. Dort war zuletzt die höchste Zahl an Neuinfektionen seit dem Beginn der Pandemie zu verzeichnen. In der Hauptstadt London ist Omikron bereits für 60 Prozent der Neuinfektionen verantwortlich.

Eine Million Fälle möglich

Der britische Epidemiologe Chris Whitty erwartet, dass in den kommenden Wochen die Fallzahl-Rekorde gleich mehrfach gebrochen werden. Die epidemologischen Berater von Premier Boris Johnson können nicht ausschließen, dass man bis Weihnachten womöglich mit einer Million Neuinfektionen pro Tag konfrontiert sein wird - sowie mit mehreren tausend Neuzugängen in britischen Kliniken täglich.

In Norwegen rechnet man damit, dass es schon in drei Wochen schätzungsweise zwischen 90.000 und 300.000 neue Omikron-Fälle pro Tag geben wird. Es sei denn, es werden rasch Maßnahmen ergriffen. Von einer erheblichen Belastung für das Gesundheitswesen und die Gesellschaft sei auszugehen, so die Experten. Norwegen hat allerdings bereits zahlreiche Einschränkungen in Kraft gesetzt. So darf etwa in Lokalen für die kommenden vier Wochen kein Alkohol ausgeschenkt werden, um die Feierlaune und damit auch die Kontaktfreudigkeit der Norweger zu bremsen.

In Österreich hat man gerade einen lähmenden Lockdown hinter sich. Die Prognosen gehen hier davon aus, dass sich die vierte Corona-Welle in den kommenden Tagen weiter abflachen wird. In den Spitälern soll der Patientenstand ebenfalls zurückgehen. Der Abwärtstrend soll bis Weihnachten anhalten und sich tendenziell verlangsamen.

Klar ist, dass Omikron Österreich nicht verschonen wird, die ersten Fälle gibt es ja bereits. Die Experten gehen davon aus, dass der bisherige Höchststand an Neuinfektionen deutlich übertroffen wird. Das könnte, so die pessimistische Annahme, bereits im Jänner eintreten. In wenigen Wochen wäre dann mit mehr als 16.000 Infektionen zu rechnen.

Die entscheidende Frage lautet, was das für die Spitäler bedeutet: Das können die Experten zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht seriös beantworten.

Ruf nach Notfallplan

Es gibt aber Warnungen, dass unter Umständen bis zu 30 Prozent der Arbeitnehmer durch die strengen Quarantäneregeln - 14 Tage ohne Möglichkeit, sich freizutesten, auch für Geimpfte und Genesene - ausfallen könnten. Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant des Österreichischen Roten Kreuzes, verlangt Vorbereitungsmaßnahmen von Betrieben der kritischen Infrastruktur.

Im fernen Washington hat man jedenfalls bereits eine Antwort darauf, wie man Omikron begegnen wird: Ein Lockdown wird hier ausgeschlossen, Schulen und Geschäfte sollen offen bleiben. Die Frage ist, ob die USA diesen Weg im Ernstfall durchhalten können.

Ein internationales Expertengremium für Krisenprävention ruft jedenfalls die Regierungen in aller Welt dazu auf, dringend zu handeln. Statt über mögliche mildere Krankheitsverläufe zu spekulieren, müssten vielmehr umgehend Maßnahmen durchgesetzt werden, forderte der von der Weltbank und der WHO einberufene Ausschuss am Mittwoch. Sonst drohen vor allem Ländern, die begrenzten Zugang zu Medikamenten und Impfstoffen haben, schwere Folgen.

Das führt wieder zurück nach Afrika. Weil die Impfung, auch wenn sie bei Omikron schwächer wirken mag, laut Virologen noch immer der beste Schutz ist, könnten die Industrieländer wieder verstärkt Impfstoff kaufen. Damit könnten wieder weniger Vakzine nach Afrika gelangen. Dort sind noch nicht einmal zehn Prozent der Bevölkerung voll geimpft.

Das liegt aber nicht nur an einem Mangel an Impfstoffen, sondern auch daran, dass in vielen Ländern die notwendige Infrastruktur wie etwa Kühlketten fehlt, weshalb mancherorts die gelieferten Vakzine vorerst nicht verimpft werden konnten.