Es war eine düstere Rücktrittsrede, in der Abdalla Hamdok seine Landsleute eindringlich warnte. Der Sudan stehe "an einem Wendepunkt, an dem seine gesamte Existenz gefährdet ist", sagte der Ökonom. Er selbst lege sein Amt nieder, weil alle Anstrengungen, die er unternommen habe, nicht gereicht hätten, um das Versprechen zu erfüllen, den Bürgern "Sicherheit, Frieden, Gerechtigkeit und ein Ende des Blutvergießens" zu bringen.

Dem Rücktritt vorausgegangen waren tagelange Proteste, bei denen der Rückzug aus der Politik des Militärs, das eine Übergangsregierung anführt, gefordert wurde. Die Sicherheitskräfte reagierten laut Augenzeugen äußerst gewalttätig, setzten Tränengas ein und schossen teilweise mit scharfer Munition. Seit Oktober sind bei den immer wieder aufflammenden Protesten mehr als 50 Menschen getötet worden.

In dem ostafrikanischen Land stehen einander zwei Akteure unversöhnlich gegenüber: das Militär und die zivile Demokratiebewegung. Hamdok sah sich als Vermittler zwischen den Parteien und ist als solcher gescheitert.

Dabei war der 65-Jährige ein großer Hoffnungsträger, als er im Sommer 2019 das Premiersamt übernahm. Zuvor war es einer Protestbewegung aus Nachbarschaftskomitees, Gewerkschaften, Berufsverbänden und Studenten gelungen, durch monatelange Demonstrationen den islamistischen Militärherrscher Omar al-Bashir, der rund drei Jahrzehnte an der Macht gewesen war, zu stürzen. Eine Übergangsregierung aus Generälen und Paramilitärs auf der einen und Vertretern der Zivilgesellschaft auf der anderen Seite sollte das Land in Wahlen führen.

Der international bestens vernetzte Hamdok, der zuvor hohe Posten bei der UNO besetzt hatte, sollte dabei als Premier dem Sudan international wieder mehr Ansehen verschaffen. Das ist ihm auch gelungen: Die USA strichen den Sudan von der Terrorliste, und der Internationale Währungsfonds erließ dem Land 50 Milliarden Dollar an Schulden. Innenpolitisch aber konnte Hamdok, der selbst eindeutig den zivilen Kräften zuzuordnen ist, die Gräben innerhalb der Übergangsregierung nie zuschütten.

Es geht um große Vermögen - und um Verbrechen

Vor allem zwei große Konfliktpunkte taten sich zwischen Zivilisten und Militärs auf und sorgen bis heute für enormen Zündstoff: erstens die wirtschaftlichen Verflechtungen der Generäle, zweitens die von der Armee und mit ihr verbündeten Kampfeinheiten begangenen Verbrechen.

Über teils sehr undurchsichtige Geflechte machen die Generäle lukrative Geschäfte: Sie verdienen etwa an der Ölförderung oder dem Getreidehandel und besitzen auch ganze Straßenzüge in der Hauptstadt Khartum. Nicht nur wollten die zivilen Kräfte hier mehr Transparenz schaffen, sondern auch die Firmen des Militärs verstaatlichen oder in Aktiengesellschaften umwandeln. Die Militärs aber machten keine Anstalten, ihr Vermögen zu teilen.


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Zudem mussten sie die Forderung der Demokratiebewegung fürchten, dass die brutalen Übergriffe von Soldaten und paramilitärischen Einheiten aufgearbeitet und geahndet werden. So haben Verbände, die aus den Reitermilizen im Darfur-Krieg hervorgingen, im Juni 2019 ein Massaker mit dutzenden Toten angerichtet, wobei sie die Leichen ermordeter Demonstranten in Khartum in den Nil warfen. Anführer dieser Einheiten ist Mohammed Hamdan Dagalo, genannt "Hemeti". Der einstige Warlord in Bashirs Diensten, der sich auch durch Goldschmuggel kräftig bereichert haben soll, ist mittlerweile einer der mächtigsten Männer im Sudan.

Der Konflikt eskalierte derart, dass das Militär im Oktober 2021 putschte, die Übergangsregierung auflöste, zahlreiche Demokratieaktivisten verhaftete und Hamdok aus seinem Amt entfernte. Nach wütenden Protesten gegen die Armee und internationalem Druck kehrte Hamdok aber im November wieder in sein Amt zurück. Allerdings sollte er nun eine Regierung aus Technokraten anführen, die unter der Oberaufsicht des Militärs steht.

Damit hatte Hamdok sein wichtigstes innenpolitisches Kapital verloren: Weite Teile der Demokratiebewegung distanzierten sich von ihm, nahmen ihm übel, diesen Kompromiss mit dem Militär eingegangen zu sein.

Mittlerweile werden innerhalb der Demokratiebewegung die Rufe immer lauter, dass es eine weitere Revolution brauche, um das Militär von der Macht zu vertreiben. Doch die Generäle haben die Waffen in der Hand und denken nicht daran, den Forderungen der Straße nachzugeben. Der Rücktritt Hamdoks spitzt die Lage nun noch einmal zu.

Das bereitet international Sorge: Die USA drängten bereits darauf, dass das Land in Zukunft von einer zivilen Regierung angeführt wird. Wie viel Wirkung das haben wird, ist fraglich: Viele autokratische Regimes im arabischen Raum hätten wenig Freude mit einer sudanesischen Demokratie. Und für den wichtigen Investor China sind die Vorgänge im Sudan innere Angelegenheiten.