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China und Russland basteln am neuen Ost-Block

Von Thomas Seifert

Politik

Russland und China demonstrieren Geschlossenheit - und verfolgen dennoch unterschiedliche Ziele.


Wladimir Putin reist nach Peking. Der russische Präsident wird dort von Xi Jinping als "bester Freund" begrüßt werden. Putin wird an der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele teilnehmen, die die beiden Staatschefs werden Verträge unterzeichnen, über Zusammenarbeit sprechen und sich demonstrativ Schulter an Schulter zeigen. Man kann davon ausgehen, dass es in den Gesprächen der beiden unter anderem darum gehen wird, wie beide Länder sich gemeinsam besser gegen westliche Sanktionen wappnen können.

Russland und China sind ein ungleiches Paar: Die Sowjetunion war einst Chinas Lehrmeister, die kommunistische Partei der Sowjetunion stand im Jahr 1921 Pate bei der Gründung der chinesischen KP. Die Sowjetunion zerfiel, Russland, das Filetstück aus der Erbmasse, ist von der Weltmacht zur Regionalmacht abgestiegen und muss sich nun mit der Rolle als Juniorpartner zufriedengeben, während China Ambitionen hegt, die USA eines Tages als Supermacht Nummer eins abzulösen.

1989 ist für die Machteliten in beiden Ländern das Schlüsseljahr: Als Michail Gorbatschow, Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, am 15. Mai 1989 gerade im Anflug auf Peking war, demonstrierten am Tiananmen-Platz Studenten und forderten Reformen von der Partei. Gorbatschows Besuch weckte die Hoffnung, dass auch in China "Perestroika" und "Glasnost" - also Öffnung und Reformen möglich wären. Und während Chinas Führung die Studentenbewegung am 4. Juni 1989 niederwalzen ließ, erlebte Wladimir Putin am 9. November 1989 den Fall der Berliner Mauer.

Von Wladimir Putin ist bekannt, dass der den Zerfall der UdSSR für eine Tragödie hält. Den Exit der Ukraine aus dem Orbit Russlands hat Putin nie verkraftet. Und die Unruhen nach dem Wahlbetrug des engen Kreml-Verbündeten Alexander Lukaschenko in Belarus, nährten in Moskau die Nervosität, einen weiteren Vasallen zu verlieren.

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Die sich immer mehr eintrübenden Beziehungen zum Westen bedeuten, dass China für Russland immer wichtiger wird. Denn China hat Investitionskapital und Technologie zu bieten und hat gleichzeitig einen unstillbaren Hunger nach Öl, Gas, Erzen, Düngemitteln und anderen Rohstoffen und landwirtschaftlichen Produkten.

Der Vorteil Russlands: Während Energielieferungen aus dem Nahen Osten oder Rohstofflieferungen aus Lateinamerika und Afrika vielleicht eines Tages in Gefahr stehen, von einer US-Marineblockade unterbrochen zu werden, sind die Pipelinerouten und Eisenbahnverbindungen aus Zentralasien und Russland sicher.

Die beiden Volkswirtschaften sind also Komplementär: China kauft bei Russland Rohstoffe und liefert Konsumprodukte und Technologie. Der Handel hat sich zuletzt geradezu explosionsartig entwickelt und ist im abgelaufenen Jahr um 35,8 Prozent (im Vergleich zu 2020) auf die Rekordsumme von 146,88 Milliarden Dollar geklettert.

Unterschiedliche Verwundbarkeit

Doch gerade, wenn es um die Wirtschaft geht, sind beide Länder in einer völlig unterschiedlichen Position: Russland ist als Rohstofflieferant viel weniger verwundbar als China. Denn das Reich der Mitte ist von Technologie- und Wissenstransfers ebenso abhängig wie vom Zugang zu internationalen Kapital- und Gütermärkten.

Und während einige politische Analysten vermuten, dass Peking es recht sein könnte, wenn Putin die Aufmerksamkeit Washingtons erfordert und somit die USA von der strategischen Hauptaufgabe - der Supermachtkonkurrenz mit China - ablenkt, so hat Peking gleichzeitig Interesse an wirtschaftlicher Stabilität.

Für die USA ist die aggressive Haltung Moskaus gegenüber der Ukraine eine Herausforderung: Denn aus Sicht Washingtons wäre es eigentlich vernünftig, die Strategie von Henry Kissinger aus den 1970er Jahren upzudaten. Kissinger erkannte, dass eine Eindämmung der Hegemonie Moskaus nur möglich wäre, wenn es gelingt, einen Keil zwischen die beiden "Roten Riesen" Russland und China zu treiben und eine Annäherung zwischen China und dem Westen zustande zu bringen. Nun wäre es nur logisch, Nixons Strategie umzudrehen: Diesmal ist Russland das kleinere Problem Amerikas und eigentlich müssten die USA versuchen, die Kontakte zu Moskau zu intensivieren. Putins Politik macht eine derartige Strategie freilich zunichte.

Aus Sicht Moskaus ist eine derart enge Allianz mit China, wie sie seit einigen Jahren geschmiedet wird, aber nicht ohne Risiko. Denn China wird langsam aber sicher in Zentralasien zur dominierenden Macht und dehnt seinen Einfluss in Ländern wie Turkmenistan, Kasachstan, aber auch Usbekistan, Kirgistan und Tadschikistan immer mehr aus - auf Kosten Russlands.