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Warum sich Mali und Frankreich entfremdet haben

Von Klaus Huhold

Politik

Frankreich ist nicht mehr willkommen und beendet seine Anti-Terror-Operation. Damit wankt auch Österreichs Einsatz.


Die Dänen waren die Ersten, die ihr Kontingent zurückzogen. Nachdem die Regierung Malis mitgeteilt hatte, dass es kein Abkommen für die Stationierung der Spezialkräfte gebe, zog Kopenhagen seine rund 70 Soldaten Ende Jänner wieder ab. Frankreich, das die Anti-Terroroperation "Takuba" leitet, schäumte und warf der Regierung Malis vor, dass sie vertragsbrüchig geworden sei, weil es sehr wohl eine derartige Übereinkunft mit Dänemark gegeben habe. Die Antwort von malischen Vertretern: Wie könne sich Frankreich auf Abmachungen mit einer Regierung berufen, die Paris gar nicht anerkennt?

Die Episode zeigt beispielhaft, wie sehr sich das Verhältnis zwischen Mali und Frankreich verschlechtert hat, seitdem in dem afrikanischen Staat eine von jungen Offizieren angeführte Militärjunta mit gleich zwei Putschen, im August 2020 und im Mai 2021, die Macht an sich gerissen hat. Frankreich betrachtet dieses Regime als illegitim und sieht sich dabei im Einklang mit der westafrikanischen Staatengemeinschaft Ecowas, die Mali mit Sanktionen belegt hat.

Die neuen Machthaber in Mali wiederum warfen nach einigen verbalen Scharmützeln sogar den französischen Botschafter aus dem Land. Zudem wandten sie sich bei der Anti-Terror-Bekämpfung an Russland, das nun bereits erste Ausbildner nach Mali geschickt hat.

Die Beziehungen sind mittlerweile derart zerrüttet, dass Frankreich nun verkündet hat, den Takuba-Militäreinsatz im Juni gemeinsam mit seinen Partnern zu beenden. Dieser war gemeinsam mit dem ebenfalls endenden Unternehmen "Barkhane" die offensivste Operation gegen Dschihadisten in Westafrika und erstreckte sich auch auf Nachbarländer. In Niger werden französische Soldaten stationiert bleiben.

Nehammer stellt Österreichs Einsatz in Frage

Neben Takuba gibt es in Mali noch die UNO-Friedensmission Minusma und die EU-Mission EUTM, bei der örtliche Sicherheitskräfte ausgebildet werden. Bei EUTM stellt Österreich fast 80 Soldaten und hat derzeit auch die Leitung inne. Doch diese steht nun laut dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell ebenso auf dem Prüfstand. "Wenn Frankreich beginnen sollte, sich aus der EU-Trainingsmission zurückzuziehen, dann wird es auch für Österreich Zeit sein, das zu tun", stellte auch Kanzler Karl Nehammer am Rande des EU-Afrika-Gipfels in Brüssel am Donnerstag klar.

Dabei war das Verhältnis zwischen Mali und Europa, und dabei insbesondere Frankreich, einmal ein ganz anderes. 2013 hatte die damalige malische Regierung die frühere Kolonialmacht um Hilfe gebeten, weil mit Tuareg-Rebellen verbündete Islamisten vor der Hauptstadt Bamako standen und das gesamte Land zu erobern drohten. Frankreich schlug die Gotteskrieger zurück und wurde als Befreier gefeiert.

Neun Jahre und unzählige Strategiepapiere später ist aber die Sicherheitslage in Westafrika noch immer prekär. Islamisten beherrschen weite Teile Malis und auch von Burkina Faso - wobei sich Dschihadismus schnell mit ethnischen und Verteilungskonflikten sowie Schmuggelkriminalität vermengt.

Die Machthaber in Mali und - laut Beobachtern vor Ort - auch weite Teile der Bevölkerung haben mittlerweile einen ganz anderen Blick auf den Einsatz als Frankreich: In Mali herrscht die Ansicht vor, dass der Anti-Terror-Einsatz gescheitert ist und Frankreich dabei vor allem eigene wirtschaftliche und geopolitische Interessen verfolgt. In Paris wird diese Haltung als undankbar empfunden - haben doch bisher 53 französische Soldaten bei dem Einsatz ihr Leben verloren. Auch mit Blick auf die in diesem Jahr anstehenden Präsidentenwahlen war die Mission für Präsident Emmanuel Macron somit kaum noch zu halten.

Fassadendemokratie unterstützt

Laut der "Vereinigung für Afrikawissenschaften in Deutschland" befinden sich viele Staaten der westlichen Sahelzone - auch in Burkina Faso gab es einen Putsch - in einer fundamentalen Krise. Demnach haben sich "Kernstrukturen des einst von den Kolonialmächten übertragenen und von vielen Bürgern als illegitim erlebten Staates aufgelöst". Doch genau an diesen Strukturen halten die Europäer fest - und das sogt für eine weitere Entfremdung. In den Augen der Bevölkerung unterstützen sie damit eine Fassadendemokratie, die korrupten Politikern nach zweifelhaften Wahlgängen zur Selbstbereicherung dient und der eigenen Bevölkerung keine Sicherheit bringt.

Deshalb wollen nun viele Malier der Militärjunta eine Chance geben. Ob diese die versprochenen Reformen umsetzt und mit russischer Hilfe mehr Stabilität bringt, wird sich erst weisen. Europa gibt zumindest militärisch das Feld immer mehr frei.