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Lateinamerika - erneut ein Spielball der Mächte

Von WZ-Korrespondent Tobias Käufer

Politik

Der Konflikt zwischen Russland und den USA wird auch an anderer Stelle ausgetragen.


Zwischen den beiden Nachbarländern Kolumbien und Venezuela im Norden Südamerikas entwickelt sich ein Stellvertreterszenario, das in Ansätzen an den Ukraine-Konflikt zwischen dem Westen und Russland erinnert. Kolumbiens Verteidigungsminister Diego Molano berichtete über russische Militärs, die im venezolanisch-kolumbianischen Dschungelgrenzgebiet aktiv seien. Russland wies die Vorwürfe zurück.

Inzwischen hat sich Venezuelas sozialistischer Präsident Nicolas Maduro in der Ukraine-Krise hinter Russland gestellt. Moskau und Caracas haben angekündigt, die gegenseitigen Beziehungen auf allen Ebenen zu vertiefen. Das schließt auch eine militärische Kooperation nicht aus. Kolumbien wiederum ist als einziges südamerikanisches Land seit knapp fünf Jahren eine Partner-Nation der Nato. Prompt kündigten die USA eine entsprechende Gegenreaktion an.

Im Grenzgebiet agieren linksgerichtete Guerillagruppen und rechtsgerichtete Paramilitärs, die sich einen erbitterten Machtkampf um die Vorherrschaft im Drogenhandel liefern. Aus Venezuela findet derzeit eine der größten Völkerwanderungen auf dem Globus statt. Immer wieder kommt es zu Gewalt und Massakern. Bislang konnten beide Länder den Konflikt noch einigermaßen unter Kontrolle halten, doch die Region gilt als unberechenbar.

Vordringen in den Hinterhof

Noch vor wenigen Wochen hatte der russische Vize-Außenminister Sergej Rjabkow offen über eine russische Aufrüstung der verbündeten Länder Kuba und Venezuela gesprochen: "Ich möchte weder etwas bestätigen noch ausschließen", sagte Rjabkow auf die Frage eines TV-Senders nach einer stärkeren Militärpräsenz in den betreffenden Ländern. "Alles hängt von den Handlungen der amerikanischen Kollegen ab", sagte Rjabkow mit Blick auf die Entwicklung in der Ukraine.

Die Stationierung von Atomraketen auf Kuba - zunächst von den Kubanern und Russen bestritten - löste in den 1960er Jahren fast einen dritten Weltkrieg aus, der nur verhindert wurde, weil sich beide Seiten nach einem diplomatischen Pokerspiel für den Abzug ihrer Atomraketen entschieden.

"Auch aus russischer Sicht gilt Lateinamerika immer noch als Hinterhof der Vereinigten Staaten, deswegen versucht Moskau derzeit vieles, um sich diesen Regierungen annähern zu können", sagt Professor Vladimir Rouvinski von der Universität Icesi aus Cali (Kolumbien) im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Gut sind die Verbindungen Russlands aus der Sowjetzeit vor allem nach Nicaragua und Kuba, sowie seit rund 20 Jahren auch zu Venezuela, die allesamt eine US-kritische Haltung einnehmen. Grundsätzlich ist das Image der Amerikaner aufgrund der Verstrickung in rechte Militärdiktaturen und Putsche im vergangenen Jahrhundert in Lateinamerika angeknackst. Das versucht Moskau auszunutzen.

Bolsonaro in Moskau

Inmitten dieses globalen Konflikts versuchen nun auch andere Länder, ihre Verhandlungsposition aufzuwerten. Argentiniens Präsident Alberto Fernandez sorgte mit einer Reise nach Russland und China für Irritationen. Argentinien müsse aufhören, eine so große Abhängigkeit vom Internationalen Währungsfonds und den USA zu haben, ließ Fernandez seine interessierten Zuhörer in Moskau wissen. Wenig später musste Fernandez Washington besänftigen und bedankte sich ausdrücklich für die Hilfe der USA für die Unterstützung bei der Neuverhandlung von Staatsschulden mit dem IWF. Selbst Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro, von der Biden-Administration und Europa wegen seiner umweltfeindlichen Amazonas-Abholzungspolitik geächtet, kokettiert inzwischen offen mit einer Partnerschaft mit Russland. Vor allem aber nutzte Bolsonaro die Bilder der Reise nach Moskau, um innenpolitisch zu signalisieren, dass er keineswegs international isoliert sei.

In den Vereinigten Staaten ist der Widerstand gegen den wachsenden Einfluss Russland und Chinas Gegenstand einer parteiübergreifenden Initiative: Der republikanische Senator Marco Rubio (Florida), ranghöchstes Mitglied des Geheimdienstausschusses, und der Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Beziehungen des Senats, der Demokrat Bob Menendez, werben für einen "Western Hemisphere Security Strategy Act". Der Gesetzentwurf zielt darauf ab, dem "schädlichen und bösartigen Einfluss" von China und Russland in Lateinamerika entgegenzuwirken.