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Die Rückkehr des Diktatorenclans Marcos

Von Klaus Huhold

Politik
Diktatorensohn und Strahlemann: Ferdinand Marcos Jr. steht vor einem Triumph.
© reuters / E. Lopez

Bei der Präsidentenwahl ist ein Dikatorensohn Favorit. Seine Geschichte zeigt die Macht sozialer Medien.


Diese Schuhsammlung ging in die Weltgeschichte ein. Rund 1.200 teuerste Luxuspaare wurden in dem Anwesen der Familie Marcos auf den Philippinen gefunden, nachdem der Diktatorenclan 1986 überhastet vor einem Volksaufstand nach Hawaii geflohen war. Sie gehörten Imelda Marcos, der Gattin des Diktators Ferdinand Marcos. Die Sammlung wurde zum Symbol für die Abgehobenheit und Verschwendungssucht der einstigen Schönheitskönigin Imelda im Besonderen und der gesamten Familie im Allgemeinen.

Diese hat während der Präsidentschaft von Ferdinand Marcos von 1965 bis 1986 hat ein Milliardenvermögen angehäuft. Gerichtsverfahren und ebenfalls bei der Flucht zurückgelassene Dokumente belegen: Der Clan hielt Anteile an verschiedensten Konzernen, baute sich ein Immobilienimperium auf, das unter anderem vier Gebäude in Manhattan umfasste, erstand Juwelen und eine große Gemäldesammlung, die Werke von Michelangelo und Picasso umfasste.

Unter Marcos herrschte die Korruption, während der Großteil der Bevölkerung in Armut lebte. Wer sich gegen den Herrscher stellte, wurde brutal verfolgt. Den Untersuchungen von Amnesty zufolge wurden damals 70.000 Regimegegner ins Gefängnis geworfen, 34.000 gefoltert und 3.200 ermordet.

Marcos Jr. braucht die klassischen Medien nicht

Nun, 36 Jahre nach dem Ende der Diktatur, steht der Marcos-Familie samt ihrer Verbündeten vor der Rückkehr zur Macht. Denn Ferdinand "Bongbong" Marcos Jr. ist der große Favorit bei der am Montag stattfindenden Präsidentenwahl, laut der jüngsten Umfrage wollen rund 56 Prozent der Befragten für ihn stimmen. Bei seiner Wahlkampftour durch das Land empfangen allerorts jubelnde Massen den 64-Jährigen.

Anhänger von Ferdinand Marcos Jr. bejubeln ihren Helden.
© Reuters / Eloisia Lopez

Bei seiner Kampagne vermeidet der einstige Kongressabgeordnete und nunmehrige Senator Interviews mit kritischen Journalisten oder TV-Konfrontationen mit anderen Kandidaten. Er ist nämlich überhaupt nicht auf die klassischen Medien angewiesen. Seinen Aufstieg verdankt er vor allem den Sozialen Netzwerken, und dabei in erster Line Facebook.

Historische Wirklichkeiten werden zu "Fake News"

Der Aufstieg von Marcos Jr. ist auch eine Geschichte darüber, welche Macht die Social Media mittlerweile haben und wie es mit ihrer Hilfe gelingen kann, alternative Wirklichkeiten zu schaffen. Die Kampagne von Marcos Jr. hat eine "Erzählung erschaffen, die zwar die historischen Fakten verzerrt, aber auf viele Wähler anziehend wirkt", sagt der pensionierte Politologe Temario Rivera der Nachrichtenagentur Reuters.

Dabei verklärt Marcos Jr. die Diktatur seines 1989 verstorbenen Vaters. Diese sei ein goldenes Zeitalter für gewesen, in dem die Philippinen zum Tigerstaat geworden wären. Die historischen Wirklichkeiten, nämlich die Folter Oppositioneller und die alles beherrschende Korruption, werden zu "Fake News" erklärt. Und für den bis heute äußerst üppigen Wohlstand der Familie Marcos werden verschiedene Erklärungen angeboten: Etwa dass Ferdinand Marcos vor seiner Zeit als Politiker als Geschäftsmann reich geworden wäre. Oder auch die abenteuerliche Geschichte, dass Ferdinand Marcos einst einen Goldschatz gefunden hätte.

Seit ihrer Rückkehr auf die Philippinen 1991 versucht die Familie Marcos - Imelda ist mittlerweile 92 und öffentlich noch immer sehr präsent, und auch ihre Tochter Imme ist in der Politik -, ihren Namen reinzuwaschen. Ferdinand Jr. hat dabei früh erkannt, welch unvergleichlichen Dienst ihm die Sozialen Medien dabei erweisen können: Seit Jahren werden diese von seiner Propagandaarme unentwegt bedient, sodass nun viele Philippiner seiner Version der Geschichte glauben.

Dabei kommen weitere Faktoren Marcos zugute: Ihm ist es gelungen, bei vielen Armen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu schüren. Er verspricht, niemanden zurückzulassen, und im Internet verbreitet sich gerade das Gerücht, dass er seinen Reichtum mit seinen Landsleuten teilen werde.

Darüber hinaus profitiert Marcos Jr. von der Popularität des Duterte-Clans: Sara Duterte-Carpio unterstützt den Diktatorensprössling und kandidiert selbst als Vizepräsidentin, wobei dieses Amt auf den Philippinen in einem gesonderten Entscheid vom Volk gewählt wird. Der nun aus dem Amt scheidende und für seinen Krieg gegen Drogen berüchtigte Präsident Rodrigo Duterte, der nicht mehr antreten darf, weil die Verfassung nur eine Amtszeit erlaubt, hat noch immer viele Anhänger. Auch seine Tochter ist als Bürgermeisterin der Stadt Davao City eine bekannte Politikerin.

Selbst Ex-Boxweltmeisterscheint chancenlos

Angesichts einer derartigen Übermacht verblassen selbst bekannte Gegenkandidaten wie der Ex-Box-Weltmeister Manny Pacquiao. Am nächsten an Marcos Jr. kommt in den Umfragen derzeit Vizepräsidentin Leni Robredo mit 23 Prozent der Stimmen heran. Die Anwältin verspricht eine transparente Politik und spricht damit die Philippiner an, die fürchten, dass Marcos Jr. den autoritären Stil von Duterte, der demokratische Grundrechte mit Füßen trat, fortsetzt oder gar verschärft.

Darüber hinaus fürchten die Gegner von Marcos Jr., dass der Kampf um das Vermögen der Familie Marcos an ein Ende kommt. Seit Jahren prozessiert der Staat mit dem Clan, der sämtliche Urteile anficht oder verlangte Zahlungen einfach verweigert. Der Präsident hat auf den Philippinen eine große Machtfülle: Bei erfolgreicher Wahl könnte Marcos Jr. selbst die Richter bestimmen, die sich mit den Fällen seiner Familie beschäftigen.