Einen Tag nach der Abreise von US-Präsident Joe Biden aus Asien hat Nordkorea Tests mit atomwaffenfähigen Raketen fortgesetzt. Nordkorea feuerte am Mittwochmorgen (Ortszeit) in kurzen Zeitabständen drei ballistische Raketen in Richtung offenes Meer im Osten ab, von denen eine offenbar eine Interkontinentalrakete (ICBM) gewesen sei, teilte Südkoreas Generalstab mit. Die USA und ihre Alliierten Südkorea und Japan warfen Nordkorea ernsthafte Provokation vor.
Die Streitkräfte Südkoreas und der USA antworteten zudem mit eigenen Stärkedemonstrationen und schossen den Angaben zufolge zwei Boden-Boden-Raketen ab. Gleichzeitig mehrten sich die Anzeichen für einen bevorstehenden neuen Atomversuch durch Nordkorea. Laut dem stellvertretenden Direktor des Nationalen Sicherheitsbüros in Seoul, Kim Tae-hyo, gibt es Hinweise, dass das Nachbarland zuletzt mehrfach mit Sprengvorrichtungen für seinen siebenten Nukleartest experimentiert hat. Die Experimente dienten demnach offenbar der Testvorbereitung. Wahrscheinlich könne ein Test nicht in den nächsten ein oder zwei Tagen erfolgen, doch "irgendwann danach ist das wahrscheinlich", wurde Kim von südkoreanischen Sendern zitiert.
Wachsende Unsicherheit
Der jüngste Raketentest erfolgte zu einem Zeitpunkt wachsender Unsicherheit in der Region. Es war bereits die 17. Runde von Raketentests durch Nordkorea in diesem Jahr. Das Land will nach Meinung von Experten sein Raketenarsenal modernisieren und möglicherweise auch den Druck auf die USA erhöhen, damit diese konkrete Verhandlungsvorschläge vorlegen.
UNO-Resolutionen untersagen dem weithin isolierten Land die Erprobung von ballistischen Raketen jeglicher Reichweite. Bei solchen Raketen handelt es sich in der Regel um Boden-Boden-Raketen, die je nach Bauart auch einen oder mehrere Atomsprengköpfe befördern können. Nordkorea ist wegen seines Atomprogramms harten internationalen Sanktionen unterworfen.
Bei seinem Besuch in Seoul am Wochenende hatte sich Biden mit dem neuen südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk-yeol darauf verständigt, dass ihre Länder wegen der Bedrohung durch das nordkoreanische Raketen- und Atomprogramm über den Ausbau der gemeinsamen Militärmanöver beraten werden. Nordkorea sieht in den Militärübungen der USA in Südkorea eine Provokation.
ICBM: Extreme Reichweite
Beim jüngsten Test flog die mutmaßliche ICBM den Angaben Südkoreas zufolge bei einer Flughöhe von bis zu 550 Kilometern etwa 360 Kilometer weit. Es habe sich möglicherweise um die größte ICBM des Landes vom Typ Hwasong-17 gehandelt, berichtete die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap unter Berufung auf Militärs. Zu ICBM zählt man Raketen, die eine Reichweite von mehr als 5500 Kilometern haben.
Auch sollen zwei mutmaßliche Kurzstreckenraketen (SRBM) abgefeuert worden sein. Einer der Tests sei offenbar fehlgeschlagen. Eine Rakete sei "verschwunden", nachdem sie eine Flughöhe von 20 Kilometern erreicht habe, hieß es. Die zweite SRBM flog nach Militärangaben etwa 760 Kilometer weit, bei einer Flughöhe von maximal 60 Kilometern.
Der südkoreanische Verteidigungsminister Lee Jong-sup und sein US-Kollege Lloyd Austin bekräftigten nach Angaben Seouls in einem Telefongespräch, die erweiterte Abschreckung der USA verstärken zu wollen. Unter "erweiterter Abschreckung" verstehen die USA die "volle Bandbreite" ihrer militärischen Fähigkeiten zur Verteidigung Südkoreas - einschließlich Atomwaffen.