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Kaum Chancen gegen die Waffenlobby

Von Alexander Dworzak

Politik

Eine Verschärfung der Waffengesetze ist auch nach dem Massaker in Texas mit 21 Todesopfern nicht zu erwarten.


Thoughts and prayers, Gedanken und Gebete, bieten US-Politiker nach Attentaten mit Schusswaffen an. So auch der frühere Präsidentschaftskandidat Mitt Romney, seit Jahren Senator im Bundesstaat Utah, nach dem Massaker in Texas. 19 Schüler und zwei Lehrer ermordete ein 18-Jähriger am Dienstag in Uvalde, bevor er selbst getötet wurde. Seine Kondolenz sei "völlig unzureichend", erklärte der Republikaner Romney auf Twitter: "Wir müssen Antworten finden."

Worin die Lösungen liegen, darüber gehen in den Vereinigten Staaten seit Jahren die Meinungen weit auseinander. Unmittelbar nach Attentaten finden jene Gehör, die für strengere Waffengesetze und striktere Auflagen beim Kauf von Pistolen oder Gewehren plädieren. Für die Gegenseite ist das der völlig falsche Zugang: Eine böse Person mit einer Waffe könne nur durch eine gute Person mit einer Waffe gestoppt werden.

Die Vertreter der zweiten Denkschule finden sich unter Politikern insbesondere bei den Republikanern - aber auch Demokraten aus konservativ geprägten Bundesstaaten hängen dieser These an. Sie wird maßgeblich verbreitet von der National Rifle Association (NRA). Mit fünf Millionen Mitgliedern und dank Fördergeldern durch die Waffenindustrie ist sie eine der wichtigsten Lobbygruppen in den USA. 50 der 100 Abgeordneten der zweiten Parlamentskammer, des Kongresses, haben Spendengelder der NRA erhalten, listet das Brady Center to Prevent Gun Violence auf. Mit mehr als 13,5 Millionen Dollar steht jener Senator an der Spitze, der nach Antworten ruft: Mitt Romney.

Selbst der frühere Geschäftsmann, mit geschätzt 300 Millionen Dollar einer der vermögendsten Abgeordneten, greift auf das Geld der NRA zurück. Politiker ohne derartigen privaten Finanzpolster sind erst recht auf Spendengelder angewiesen, um ihre Wahlkämpfe zu finanzieren - ein Einfallstor für Unternehmen und Interessensgruppen.

Von der Miliz zur Person

Geschickt haben die NRA und andere Befürworter laxer Waffengesetze in den vergangenen Jahrzehnten ihre Deutungshoheit erweitert. Sie verknüpften die Waffenfrage mit dem Gründungsmythos der Vereinigten Staaten als Ort der Freiheit. Dabei ist der berühmte Zweite Verfassungszusatz über das Tragen von Waffen nicht eindeutig: "A well regulated Militia, being necessary to the security of a free State, the right of the people to keep and bear Arms, shall not be infringed." Die US-Botschaft in Deutschland übersetzte so: "Da eine gut ausgebildete Miliz für die Sicherheit eines freien Staates erforderlich ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht beeinträchtigt werden."

Der Verfassungszusatz stammt aus dem Jahr 1791, kurz nach dem Unabhängigkeitskrieg gegen die Briten. Damals und viele Jahre im Anschluss lag die Betonung auf der Miliz. Später rückten die Menschen ("the people") in den Vordergrund und das Narrativ, jeder Einzelne könne sich bewaffnen. Dazu trug auch ein Urteil des Obersten Gerichts aus dem Jahr 2008 bei. Waffenbesitz wird mittlerweile von einem Gutteil der Bürger als Grundrecht wie die Redefreiheit angesehen.

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Debatten um schärfere Waffengesetze versanden daher zumeist nach der ersten Empörungswelle. Etwas länger hielten sich die Aktivisten nach dem Massaker in Parkland 2018 - wieder war eine Schule betroffen. Denn engagierte und charismatische Überlebende wie Emma Gonzalez forderten die Erwachsenen auf, endlich für die Sicherheit der Jugend in den USA zu sorgen. Sie brachten landesweit Millionen Menschen bei Protestmärschen auf die Straße.

Die Politik zog jedoch nur eine einzige gravierende Konsequenz: das Verbot von Schnellfeuerkolben, die bei halbautomatischen Waffen für eine Schussfolge wie bei Maschinengewehren sorgen. Halbautomatische Waffen blieben aber erlaubt. Dabei war bereits in den 1990ern deren Verbot erlassen worden, es lief aber nach zehn Jahren aus. Auch blieb die verpflichtende Strafregisterbescheinigung beim Waffenkauf aus. Sogenannte "Background checks" würden 90 Prozent der Amerikaner befürworten, sagte Basketball-Trainer Steve Kerr bei seiner Wutrede nach dem Amoklauf in Texas, die einen Nerv trifft und binnen zwei Tagen knapp 35 Millionen Aufrufe verzeichnet. "Wann werden wir etwas tun?", schrie Kerr. Die Antwort von Romney und anderer Senatoren steht noch aus.