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Handel als Beziehungskitt, Migration als Streitpunkt

Politik

Beim Amerika-Gipfel stellt Biden eine Wirtschaftsinitiative vor, um die Nachbarn wieder ins Boot zu holen.


Mit Klein-Klein oder den medial breitgetretenen Streitereien um die US-Einladungspolitik wollte sich der Präsident nicht aufhalten. Stattdessen tat Joe Biden bei der Eröffnung des Amerika-Gipfels in Los Angeles das, was er auch vor einem Jahr getan hat, als es bei der Münchner Sicherheitskonferenz darum ging, die nach den Trump-Jahren entfremdeten Europäer wieder mit ins Boot zu holen: Er hielt ein leidenschaftliches Plädoyer für Demokratie. "Demokratie ist ein Kennzeichen unserer Region", sagte Biden. "Wenn wir heute zusammenkommen, in einer Zeit, in der die Demokratie in der ganzen Welt angegriffen wird, sollten wir uns vereinen und unsere Überzeugung erneuern, dass die Demokratie nicht nur das bestimmende Merkmal der amerikanischen Geschichte ist, sondern auch ein wesentlicher Bestandteil der Zukunft Amerikas."

Anders als bei der Reparatur der Beziehungen mit den Europäern kommt den gemeinsamen Werten und der Rückversicherung, ohnehin am selben Strang zu ziehen, beim Amerika-Gipfel aber bestenfalls die Rolle des Überbaus zu. Denn die südlichen Nachbarn, bei denen die Nicht-Einladung der autoritär geführten Staaten Kuba, Venezuela und Nicaragua teils für spürbare Irritationen gesorgt hat, erwarten von der Regierung in Washington, die den chinesischen Einfluss in Lateinamerika zurückdrängen will, vor allem im wirtschaftlichen Bereich ganz konkrete Schritte.

So hat die Volksrepublik in den vergangenen Jahren viel Geld in den Ausbau von Infrastrukturprojekten gesteckt und ist für viele Länder in der Region zum wichtigsten Handelspartner geworden, während die US-Regierung auch unter Biden den protektionistischen Kurs seines Amtsvorgängers Donald Trump im Wesentlichen fortgeführt hat.

Entsprechend breiten Raum soll in Los Angeles daher auch Bidens in der Nacht zum Donnerstag angekündigtes Programm "Americas Partnership for Economic Prosperity" einnehmen. Im Rahmen der neuen Initiative sollen bestehende Handelsabkommen weiter ausgebaut werden und US-Unternehmen mehr in Lateinamerika investieren. Wachstumspotenzial sieht Biden dabei vor allem bei der Zusammenarbeit im Klimaschutzbereich. "Wenn ich Klima höre, höre ich Jobs", sagte der Präsident in Los Angeles. "Gut bezahlte und hochwertige Jobs werden mithelfen, den Übergang zu einer grünen Wirtschaft der Zukunft beschleunigen."

Keine Senkung der Zölle

In vielen Bereichen ist Bidens neue Wirtschaftsinitiative, die auch mithelfen soll, die Verletzlichkeit der Lieferketten zu reduzieren und wichtige Produktionsprozesse wieder geografisch näher an die USA heranzuholen, aber nur eine Ideensammlung. Die eigentlichen Verhandlungen würden erst im Herbst beginnen, sagte ein anonym bleiben wollender US-Regierungsvertreter gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Schon jetzt ist allerdings klar, dass es ähnlich wie bei der von Biden vor einigen Wochen vorgestellten und deutlich umfangreicheren Indopazifik-Handelsinitiative keine Senkung von Zöllen geben wird.

Biden will das noch bis Freitag dauernde Gipfeltreffen aber nicht nur zum Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen nutzen. Mit einer gemeinsame Erklärung zur Migration will der Präsident vor den wichtigen Midterm-Wahlen im November auch bei einem Thema punkten, das die Republikaner immer wieder für Angriffe gegen die Demokratische Partei nutzen. "Die Deklaration stellt eine gegenseitige Verpflichtung dar, in regionale Lösungen zu investieren und die Möglichkeiten für eine sichere und geordnete Migration in der Region zu erhöhen", sagte Biden, der im Vorfeld aber noch keine Details nannte. "Gleichzeitig müssen wir gegen Kriminelle und Menschenhändler vorgehen, die verzweifelte Menschen ausnutzen. Eine sichere und geordnete Migration ist gut für alle unsere Volkswirtschaften, auch für die Vereinigten Staaten."

Abkommen zur Eindämmung der Migration sind in Mexiko und den anderen mittelamerikanischen Ländern bisher allerdings auf wenig Gegenliebe gestoßen. Denn die USA wollen zur Bekämpfung von Fluchtursachen zwar viele Millionen Dollar in die betroffenen Länder pumpen, gleichzeitig fordert die Regierung in Washington aber auch eine entschiedene Bekämpfung von Korruption und Misswirtschaft, die sie ebenfalls als Migrationstreiber ansieht.(rs)