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Anrennen gegen die republikanische Mauer

Von Klaus Huhold

Politik

Der Untersuchungsausschuss zum Sturm auf das Kapitol benennt öffentlich Trumps Verantwortung für die Gewalt. Ob das bei dessen Anhängern auch nur ein kleines Umdenken bewirkt, ist aber fraglich.


Es war wie auf einem Kriegsschauplatz", sagt Caroline Edwards. "Es war ein Gemetzel. Es war Chaos." Die Polizistin war unter den Sicherheitskräften, die sich als Erste dem gewalttätigen Mob entgegenstellen mussten, der am 6. Jänner vergangene Jahres in Washington das Kapitol mit dem Ziel stürmte, die Angelobung von Joe Biden als US-Präsident zu verhindern. Nun sagte Edwards vor dem Untersuchungsausschuss aus, der die Ereignisse von damals aufarbeitet.

Stundenlang befand sie sich "Nahkampf", berichtete sie. Edwards wurde niedergedrückt, erlitte eine Gehirnerschütterung, raffte sich auf, kämpfte weiter. Der Polizist, der neben ihr das US-Parlament verteidigte, sollte einen Tag danach an einem Herzinfarkt sterben. Edwards selbst wurde schwer verletzt und verrichtet seitdem einen Job im Innendienst.

Ihre Aussage machte Edwards am Donnerstagabend zur besten Sendezeit, auf die die erste öffentliche Anhörung des Ausschusses gelegt wurde. Es war der Auftakt einer ganzen Reihe von öffentlichen Anhörungen, die das Land in den kommenden Wochen und Monaten beschäftigen werden, nachdem der Ausschuss zuvor hinter verschlossenen Türen Zeugen befragt und und Material gesichtet hat.

Der Schuldige wird klar benannt: Donald Trump

Was die Schuldfrage betrifft, lässt der Ausschussvorsitzende, der Demokrat Bennie Thompson, keinen Zweifel offen: Zur Gewalt hat der abgewählte Präsident Donald Trump aufgerufen. "Der 6. Jänner war der Höhepunkt eines Putschversuches", sagt Thompson. Es sei Trumps verzweifelter, letzter Versuch gewesen, die Machtübergabe an Biden zu verhindern.

Der Ausschuss will die Öffentlichkeit noch einmal wachrütteln und Trump vor der Nation zur Verantwortung ziehen. Doch inwieweit er dabei in dem tief gespaltenen Land auch Anhänger und Sympathisanten der Republikaner erreicht, ist fraglich - zumal republikanische Politiker die Mauer für Trump machen.

Lediglich zwei republikanischen Abgeordnete haben sich dem Gremium angeschlossen. Eine von ihnen, Vize-Ausschusschefin Liz Cheney, findet deutliche Worte: "Heute Abend sage ich meinen republikanischen Kollegen, die das Unentschuldbare verteidigen: Es wird der Tag kommen, an dem Donald Trump nicht mehr da ist, aber Ihre Schande wird bleiben."

Doch Cheney ist mittlerweile eine Außenseiterin innerhalb ihrer Partei. Waren in den ersten Tagen nach dem Sturm noch einige republikanische Abgeordnete - die sich teils selbst vor dem wütenden Mob verstecken mussten - entsetzt über die Gewalt, bagatellisieren sie diese nun, etwa als kurzen patriotischen Aufschrei.

Zudem wiederholen zahlreiche Republikaner die Behauptung von Trump, dass ihm der Wahlsieg gestohlen wurde. Sie halten damit diese Lüge am Leben und tragen dazu bei, dass sie noch immer ein Großteil der republikanischen Anhänger glaubt.

Viele Republikaner machen dies wider besseren Wissens. Sie wollen offenbar nicht ins Visier von Trump geraten, der noch immer über eine gewaltige Mobilisierungskraft verfügt und jeden öffentlich verdammt, der sich in dieser Frage gegen ihn stellt. Gerade nun vor den Midterm-Wahlen, bei denen den Republikanern wieder eine Mehrheit im Kongress winkt, könnte das jeden Kandidaten seine Karriere kosten.

Darüber hinaus verändert der Trumpismus die Republikaner weiterhin, unter denen sich nun immer mehr radikale Vertreter finden. Die Kongressabgeordnete Marjorie Taylor Grenne verbreitete auf Social Media Verschwörungstheorien der QAnon-Bewegung, wonach Trump gegen globale Eliten kämpfe, die in Wahrheit kannibalistische Kinderschänder seien. Elise Stefanik, Volksvertrterin aus New York, predigt, dass die Wählerschaft ausgewchselt werden soll und beschwört so die rechtsradikale Theorie des großen Bevölkerungsaustausches. Und dass der Kandidat für das Gouverneursamt in Michigan, Ryan Kelly, kein Problem mit dem Sturm auf das Kapitol hat, ist klar - war er doch selbst mit dabei. Der Immobilienmakler wurde jedoch deshalb am Freitag festgenommen.

Im Windschatten und mit der Unterstützung Trumps bekommen so immer mehr Radikale und Verschwörungstheoretiker, die früher Randfiguren waren, einen zentralen Platz in der Partei. Allerdings holen dabei Trumps Taktiken manchmal auch seine eigene Partei ein: So unterstützte Trump bei der parteiinternen Vorwahl für die Kandidatur um einen Senatssitz in Pennsylvania Mehmet Oz, einen umstrittenen Alternativmediziner mit eigener Fernsehshow. Nachdem sich - der letztlich siegreiche - Oz ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit David McCormick lieferte, riet ihm Trump, er solle sich einfach zum Sieger erklären. So würde es der anderen Seite schwerer fallen, Oz die Wahl zu stehlen. (klh)