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Steht Trump demnächst vor Gericht?

Von Michael Schmölzer

Politik

Eine Untersuchung fördert Erschreckendes zum Sturm auf das US-Kapitol zutage. Offen ist, ob der Ex-Präsident direkt angeklagt wird. Es müsste zweifelsfrei erwiesen werden, dass er in krimineller Absicht gehandelt hat.


Wird Ex-US-Präsident Donald Trump vor Gericht gestellt und verurteilt oder kommt jener Mann, der das Ergebnis einer regulären Wahl und damit die Demokratie aushebeln wollte, ungeschoren davon?

Ein Untersuchungsausschuss versucht derzeit in Washington, die Hintergründe eines in der US-Geschichte beispiellosen Vorgangs zu klären: Am 6. Jänner 2021 hatten Trump-Fans nach einer Brandrede ihres Idols das Kapitol gestürmt, wo der Wahlsieg des Demokraten Joe Biden in einem Formalakt bestätigt werden sollte. Es gab fünf Tote - 140 Sicherheitsleute wurden verletzt. Senatoren und Abgeordnete flohen in Panik und verbarrikadierten sich in ihren Büros.

Psychoterror mit System

Mittlerweile haben unzählige republikanische Politiker und Spitzenbeamte ausführlich dargelegt, wie sie von Trump und dessen Team in den Tagen nach der Präsidentschaftswahl systematisch mit dem Ziel unter Druck gesetzt worden waren, das Ergebnis zu verfälschen. Der für die Organisation des Votums im Bundesstaat Georgia zuständige Staatssekretär Brad Raffensperger etwa schilderte, wie er von Trump mit Anrufen regelrecht bombardiert worden sei. Trump habe ihn unverblümt aufgefordert, genügend Stimmen für seinen Wahlerfolg zusammenzubringen.

Andere, die sich Trumps Druck ebenfalls nicht beugen wollten, wurden in den Wochen und Monaten nach der Wahl von rabiaten Anhängern des Tycoons tyrannisiert. Der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses von Arizona, Russell Bowers, berichtete, dass jede Woche Protestierende vor seinem Haus aufmarschiert seien, ihn als pädophil, pervers und korrupt beschimpft und die gesamte Nachbarschaft rebellisch gemacht hätten.

Donald Trump behauptet bis heute, dass ihm und seinen Anhängern die Wahl "gestohlen" worden sei und Joe Biden unrechtmäßig im Weißen Haus sitzt. Laut Umfragen teilt die Hälfte der republikanischen Wähler diese Ansicht, sie sind der Meinung, dass der Gerechtigkeit Genüge getan werden und Trump seinen rechtmäßigen Platz auf dem Präsidentensessel zurückbekommen muss.

Sollte das geschehen, wäre die Demokratie in den USA außer Kraft gesetzt, der Weg in eine Quasi-Diktatur geebnet.

Haarscharf an Putsch vorbei

Die Frage, die sich jetzt stellt, ist, ob sich US-Justizminister Merrick Garland dazu entschließt, Trump gerichtlich zu verfolgen. Die Indizien, dass der Tycoon gewusst haben muss, dass die Wahl für ihn verloren ist und dann einen Putsch geplant und in die Wege geleitet hat, sind zahlreich. Garland selbst spricht immerhin von einem "beispiellosen Angriff auf den Sitz unserer Demokratie". Deutlicher denn je tritt zutage, dass die USA an jenem 6. Jänner 2021 einem Staatsstreich knapper entkommen sind als zunächst angenommen.

Beobachter wie Edward Luce, Kolumnist der "Financial Times", weisen auf das Dilemma hin, in dem Justizminister Garland sich befindet. Leitet er ein Verfahren gegen Trump ein, riskiert er einen gewaltigen Aufstand radikalisierter Trump-Fans. Immerhin ist es erklärtes Ziel Bidens, das tief gespaltene Land wieder zu einen, die Gräben zuzuschütten. Lässt Garland die Sache auf sich beruhen, riskiert er, dass Trump die US-Demokratie in einem zweiten Anlauf demoliert.

Denn Trump spielt bei den Republikanern weiterhin die dominante Rolle, er strebt klar eine Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen 2024 an. Republikaner, die sich offen gegen Trump stellten, wurden entfernt, andere müssen zumindest um ihre Karriere fürchten oder sie schweigen aus Angst.

Es gibt aber auch die, die sich nicht einschüchtern lassen und bei den Vorwahlen gegen Trump antreten wollen. Sie sind keineswegs chancenlos. Ob sich Trump tatsächlich innerparteilich durchsetzt und ob ihn die Amerikaner dann ein zweites Mal zum US-Präsidenten wählen, ist nicht fix. Aber: Die Gefahr ist vorhanden und hängt als Damoklesschwert über den Vereinigten Staaten.

Wobei Trump und die Republikaner die US-Demokratie nicht unbedingt mit einem Brachialakt aus den Angeln heben müssen. Längst laufen Bemühungen, den Demokraten durch Änderungen der Wahlgesetze - etwa durch Neudefinierung der Grenzen von Wahlbezirken und einer Verkomplizierung des Zugangs zur Wahlurne - die Aussicht auf einen Sieg zu nehmen.

Die Zeit drängt

Leitet Garland - er ist von Biden ins Amt geholt worden - tatsächlich ein Verfahren gegen Trump ein, dann muss am Ende aus Sicht der Demokraten eine Verurteilung des Angeklagten stehen. Sonst würde Trump unter Umständen gestärkt aus der Sache hervorgehen. Dafür muss zweifelsfrei bewiesen werden, dass der Ex-Präsident in krimineller Absicht gehandelt hat. Es müsste also klar nachweisbar sein, dass Trump nicht nur das Wahlergebnis in sein Gegenteil verkehren wollte, sondern dass er im vollen Bewusstsein gehandelt hat, ein Verbrechen zu begehen.

Erwiesen ist, dass Trump von unzähligen Beratern, republikanischen Politikern und Beamten darauf aufmerksam gemacht worden war, dass bei der Wahl alles rechtens sei und eine Umkehr des Ergebnisses gegen die Verfassung wäre. Diese Argumentation hat bei Trump, der, wie Biografen immer wieder betonen, unter einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung leidet, nicht verfangen. Die Frage ist, wie ein Richter die Angelegenheit werten würde.

Jedenfalls bleibt den Verteidigern der US-Demokratie wenig Zeit. Im November 2022 finden Midterm-elections statt, es sieht derzeit danach aus, als würden die Demokraten ihre Mehrheit im Kongress verlieren. Das wäre dann wahrscheinlich auch das Ende des Untersuchungsausschusses zu jenen schicksalhaften Ereignissen des 6. Jänners 2021.