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Der Papst auf Sühnemission in Kanada

Von WZ-Korrespondent Julius Müller-Meiningen

Politik

Das Oberhaupt der katholischen Kirche besucht dieser Tage Schauplätze staatlich-kirchlicher Gräueltaten an Indigenen.


Papst Franziskus rechtes Knie schmerzte so sehr, dass er noch vor Wochen eine geplante Reise in die Demokratische Republik Kongo und den Südsudan absagen musste. Die am Sonntag begonnene, fünftägige Reise nach Kanada hingegen konnte oder wollte Franziskus nicht verschieben. Zu wichtig ist die Botschaft, mit der das Oberhaupt der Katholiken zu den indigenen Völkern Kanadas aufgebrochen war. Franziskus wollte sich vor Ort für das von der katholischen Kirche den Indigenen zugefügte Leid entschuldigen.

Der Besuch, den Franziskus selbst als "Pilgerreise der Buße" bezeichnet, biete eine einmalige Gelegenheit, "die Auswirkungen der Kolonialisierung und die Beteiligung der katholischen Kirche am Betrieb von Internatsschulen in ganz Kanada anzusprechen", heißt es auf der offiziellen Internetseite der Reise.

Franziskus wird auch mit Politikern und Bischöfen zusammenkommen. Hauptziele sind aber Versöhnung und Entschuldigung bei den indigenen Völkern wie First Nations, Métis und Inuit. Vertreter dieser Völker hatten den Papst im Frühjahr im Vatikan besucht. Damals entschuldigte sich der Pontifex im Namen der katholischen Kirche öffentlich "für das verwerfliche Verhalten" der Kirche.

Am Montag führte den Papst seine Reise in den Ort Maskwacis, wo er die kanadischen Ureinwohner um Vergebung für "das Böse, das so viele Christen indigenen Menschen angetan haben", bat. Er bedauerte die Art und Weise, "in der viele Mitglieder der Kirche und von religiösen Gemeinschaften, nicht zuletzt durch Gleichgültigkeit, an Projekten der kulturellen Zerstörung und erzwungenen Assimilierung mitwirkten". Er empfinde Schmerz und Reue, sagte der 85-Jährige. In Maskwacis hatte sich bis 1975 das Internat von Ermineskin, eines der größten des Landes, befunden.

Staatlich-kirchliche Gewalt

Bis in die 1970er Jahre hatten mehr als 150.000 Kinder aus indigenen Familien brutale Assimilationsprogramme in staatlich finanzierten und von Kirchen geleiteten Schulen durchlaufen. Die meisten Internate wurden von der katholischen Kirche geführt. Das Thema ist bereits seit längerem in der Öffentlichkeit, die Kirche tut sich aber weiterhin schwer im Umgang mit dieser Vergangenheit. Bereits 2008 entschuldigte sich die kanadische Regierung, eine Wahrheits- und Versöhnungskommission (TRC) wurde eingerichtet, die Opfer hörte und 2015 einen erschreckenden Ergebnisbericht vorlegte. Demnach starben mindestens 6.000 Kinder in jenen "residential schools", in denen Misshandlungen und Vergewaltigungen an der Tagesordnung waren.

Indigene Kinder wurden dort zwangsinterniert, zur Konvertierung zum Christentum gezwungen, durften ihre Muttersprachen nicht sprechen und keinen Kontakt zu ihren Familien halten. Das letzte Institut wurde erst 1990 geschlossen. Viele Opfer leiden bis heute an den Folgen. "Wir mussten wie Soldaten stehen und die Nationalhymne singen, sonst wurden wir verprügelt", zitiert der britische "Guardian" eine Überlebende. Die TRC empfahl dem Papst, sich persönlich für das Unrecht zu entschuldigen. Papst Benedikt hatte 2009 Internatsopfer getroffen, seinen "persönlichen Schmerz" ausgedrückt, sich aber nicht offiziell entschuldigt.

Die Dimensionen des Unrechts wurden voriges Jahr deutlich, als in mehreren Schulen Überreste von Kindern gefunden wurden. In der Marieval Indian Residential School waren es alleine 751 unmarkierte Gräber. "Kanada hat sich an einem kulturellen Völkermord beteiligt", sagte 2015 der frühere Vorsitzende der TRC, Murray Sinclair. Das gelte auch für die katholische und protestantische Kirche. Bereits am Sonntag hatte Franziskus mit dem Besuch der größten sogenannten Indianerschule in Kanada, des ehemaligen Ermineskin-Internats in Maskwacis, die Spuren des Gräuels zu Gesicht bekommen.

Indigene Forderungen

Unklar bleibt jedoch, ob sich die katholische Kirche an der Entschädigung der Opfer beteiligen wird. Entschädigungs-Fonds in Höhe von rund 22 Millionen Euro wurden bisher nie vollständig ausgezahlt. Indigene fordern zudem Kooperation bei der Aufklärung der Verbrechen sowie eine Distanzierung uralter päpstlicher Doktrinen, die die Versklavung indigener Völker und die Kolonialisierung ihrer Gebiete im Namen des Christentums erlaubten.