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Taiwan wäre Krönung von Xis Mission

Von Klaus Huhold

Politik
Die KP will, dass in Taipeh künftig nicht die Flagge Taiwans, sondern die der Volksrepublik China gehisst wird.
© Reuters / Jameson Wu

Nicht nur erneute Militärmanöver deuten darauf hin, dass Chinas KP-Vorsitzender bereit ist, ans Äußerste zu gehen.


Diesmal wurde die Visite einer US-Delegation auf Taiwan dezenter behandelt. Nach der Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, haben nun fünf weitere Mitglieder des US-Kongresses Taiwan besucht. Während aber bei der Reise von Pelosi die ganze Welt quasi live dabei war, gab es diesmal keine großen Vorankündigungen. Das Büro von Taiwans Präsidentin Tsai-Ing-wen verzichtete auch während des Besuches auf jegliche Veröffentlichung von Bildern. Berichtet wurde erst im Nachhinein von den Gesprächen mit der vom demokratischen Senator Ed Markey angeführten Delegation. Es ging offenbar um die Sicherheit der Insel und um bilaterale Handelsbeziehungen.

Trotz dieser Zurückhaltung reagierte China erzürnt, dass erneut eine hochrangige US-Delegation auf der Insel zu Gast war, die die Volksrepublik als abtrünniges Territorium ansieht. Als Reaktion darauf hat China erneut Militärmanöver nahe der Insel abgehalten. Das chinesische Militär werde sich weiterhin "auf einen Krieg vorbereiten und entschlossen gegen jede Form einer separatistischen ‚taiwanischen Unabhängigkeit‘ und ausländische Einmischung vorgehen", verkündet das Verteidigungsministerium in Peking.

Die US-Besuche erhalten zusätzliche Brisanz, weil sie knapp vor dem für Herbst angesetzten Kongress von Chinas Kommunistischer Partei (KP) stattgefunden haben. Bei diesem will sich Staats- und Parteichef Xi Jinping eine dritte Amtszeit abnicken lassen. Damit bricht er mit jahrzehntelangen Gepflogenheiten - nach den Machtexzessen von Mao Zedong hatte die KP den Vorsitz auf zwei Amtszeiten beschränkt.

Xi Jinping zeigt in der Taiwan-Frage äußerste Entschlossenheit.
© Reuters / Pool / Selim Chtayti

Doch Xi hat die Wiederauferstehung Chinas als Weltmacht propagandistich ganz eng mit seiner Person verknüpft. Das ist eines der gewichtigsten Argumente für den Bruch mit der Amtszeitbeschränkung - und das ist wohl auch ein Grund, warum er nun in der Taiwan-Frage Kompromisslosigkeit zeigen will. Aber nicht nur das: Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass Xi bis ans Äußerste gehen und Taiwan tatsächlich der Volksrepublik China einverleiben will.

Kein Zurück mehr

So berichten die beiden Journalisten Stefan Aust und Adrian Geiges in ihrem Buch "Xi Jinping. Der mächtigste Mann der Welt", dass der Künstler Ai Weiwei - der selbst aus einer einst eng mit der Parteinomenklatura verwobenen Familie entstammt - von seinen Pekinger Kontakten erfahren habe, dass Xi genau deshalb noch eine weitere Amtszeit anstrebe, weil er derjenige sein wolle, der die Taiwan-Frage löse. Diese Wunde der KP aus dem chinesischen Bürgerkrieg - nach Taiwan flohen die den Kommunisten unterlegenen Nationalisten - zu schließen, wäre die Krönung seiner Mission.

Außerdem hat er das Taiwan-Thema schon derart nationalistisch aufgeladen, dass es für ihn kaum noch ein Zurück gibt. Auch Politologen weisen darauf hin, dass man die KP ernst nehmen sollte, wenn sie ihre Bereitschaft betont, die Taiwan-Frage auch militärisch zu lösen. Dass in Taiwan selbst eine überwältigende Mehrheit keinen Anschluss an die Diktatur will, spielt dabei in Peking keine Rolle.

Eskalation jederzeit möglich

Die USA versuchen offenbar, Pflöcke gegen China einzuschlagen. Dass sie ihre Handelsbeziehungen mit Taiwan ausbauen, ist ein deutliches Signal. Darüber hinaus plant Washington, in den "kommenden Wochen" die Taiwan-Straße, also die Meeresenge zwischen Taiwan und der Volksrepublik, mit Schiffen und Flugzeugen zu durchqueren. Diese militärische Präsenz soll Peking noch einmal zeigen, dass die USA es sich auch ohne offizielle Beistandsgarantie vorbehalten, Taiwan militärisch beizustehen.

Xi will nun laut Medienberichten US-Präsident Joe Biden persönlich treffen. Dass dabei eine Annäherung in der Taiwan-Frage erreicht wird, ist aber unwahrscheinlich. Zur Zeit scheint nur noch das militärische und auch wirtschaftliche Abschreckungspotenzial der USA die Volksrepublik zurückzuhalten, bis zum Äußersten zu gehen. Das ändert aber nichts daran, dass dieser Konflikt jederzeit eskalieren könnte.