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Die Grenzen der grenzenlosen Partnerschaft

Von Ronald Schönhuber

Politik

Sieben Monate nach Kriegsbeginn treffen Wladimir Putin und Xi Jinping wieder zusammen. Als starke Männer reisen sie diesmal nicht an.


Als Wladimir Putin am Vorabend der Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking mit Xi Jinping zusammentraf, war das auch eine Machtdemonstration. Mit dem Schulterschluss der beiden starken Männer sollte die ganze Welt sehen, dass China und Russland als Widerpart der westlichen Demokratien eng zusammenstehen. Die auch offiziell so bezeichnete "Partnerschaft ohne Grenzen" sollte nicht nur die wirtschaftliche Kooperation stärken, sondern auch die globale Dominanz der USA und ihrer Verbündeten zurückdrängen. Peking wollte im Südchinesischen Meer freie Hand für die Durchsetzung seiner Interessen haben, Moskau in der Ukraine und anderen postsowjetischen Staaten, die es zu seiner Einflusssphäre zählt.

Knapp sieben Monate danach sollen Xi und Putin nun beim zweitägigen Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO), das am Donnerstag und Freitag im usbekischen Samarkand stattfindet, erneut zusammentreffen. Als starke Männer reisen aber diesmal beide Staatschefs nicht an. So ist Putin nach der Invasion in der Ukraine nicht nur im Westen zum Paria geworden, der 69-Jährige kommt auch daheim in Russland zunehmend unter Druck.

Aufbegehren gegen Putin

Nach der desaströsen Niederlage, die die russische Armee in den vergangenen Tagen im ostukrainischen Oblast Charkiw erlitten hat, rumort es nicht nur bei Militärexperten und prominenten Kriegsberichterstattern, die der Armeeführung immer weniger versteckt Inkompetenz und Versagen vorwerfen. Auch Politiker wagen sich immer öfter aus der Deckung. So unterstützen mittlerweile knapp hundert kommunale Abgeordnete aus Moskau und St. Petersburg eine Petition, die dem Präsidenten nicht nur schwere Versäumnisse in vielen Bereichen vorwirft, sondern ihn auch zum Rücktritt auffordert.

Immer stärker in Bedrängnis dürfte Putin zudem die wirtschaftliche Entwicklung bringen. Laut der "Financial Times" dürfte sich der erwartete russische Budgetüberschuss für das Jahr 2022 zunehmend in Luft auflösen, nachdem es zuletzt starke Einbrüche bei den Einnahmen aus Gas- und Ölexporten gegeben hat. Nachdem das Plus nach den ersten sieben Monaten des Jahres noch knapp 500 Milliarden Rubel (8 Milliarden Dollar) betragen hat, liegt es nun nur noch bei 137 Milliarden Rubel. Putins Kriegskasse hat sich also nur so lange gefüllt, als die Europäer noch keine Alternativen zu russischen Gasimporten gehabt haben und zähneknirschend hohe Preise zahlen mussten.

Zumindest leicht angeschlagen kommt auch Xi, für den der Besuch in Usbekistan die erste Auslandsreise seit Ausbruch der Corona-Pandemie bedeutet, nach Samarkand. Denn drei Jahre nach dem Auftreten der ersten Fälle in der chinesischen Metropole Wuhan hat die Volksrepublik das Virus immer noch nicht in den Griff bekommen. Während überall sonst das Leben wieder halbwegs seinen normalen Gang geht, kommt es in China, das nach wie vor eine Null-Covid-Strategie verfolgt, noch immer regelmäßig zu großflächigen Lockdocks. Die Arbeit in den Fabriken steht dann still, die Menschen dürfen ihre Wohnungen nicht verlassen.

Auch außenpolitisch läuft es für Xi, der sich Mitte Oktober beim Parteitag eine eigentlich nicht in den Statuten vorgesehene dritte Amtszeit sichern will, nicht wie gewünscht. So hat sich Nancy Pelosi, die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, trotz massiver Drohungen nicht davon abhalten lassen, Taiwan zu besuchen, das von der Regierung in Peking nach vor als abtrünnige Provinz gesehen wird.

Mehr als "business as usual"

Wie Xi und Putin mit der geänderten Weltlage umgehen, dürfte in Samarkand wohl deutlich werden. Dass der chinesische Präsident, der der Regierung in Moskau im Ukraine-Krieg zwar verbal den Rücken gestärkt, aber keine Waffen geschickt hat, von seinem russischen Gegenüber öffentlich abrückt, ist dabei aber nicht zu erwarten. "Die Reise zeigt, dass Peking nicht nur weiterhin zu einem ‚business as usual‘ bereit ist, sondern dass es die chinesisch-russischen Beziehungen stärken und vertiefen will", sagt der in Sydney lehrende Politologe Alexander Korolev gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Erst letzte Woche hatte Putin die Einigung über eine neue Gaspipeline bekannt gegeben, die künftig über die Mongolei nach China führen und die Exportausfälle nach Europa kompensieren soll.

Den russischen Feldzug dürfte der chinesische Präsident dennoch als Risiko für die gemeinsamen Pläne einer neuen Weltordnung abseits der USA sehen. Denn eine russische Niederlage in der Ukraine dürfte den Westen nicht nur in der Taiwan-Frage zusammenschweißen, sondern auch die globale Handlungsfähigkeit des Kreml beeinflussen. "Ich denke, Xi ist insgeheim sehr besorgt darüber, wie Putins Krieg in der Ukraine läuft, denn China braucht eine starke anti-westliche Führung in Moskau", sagt George Magnus, der mit "Red Flags" ein Buch über Xis Herausforderungen geschrieben hat.