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In New York wird um das globale Narrativ gekämpft

Politik

Die 77. UN-Generalversammlung steht ganz im Zeichen des Ukraine-Kriegs. Eine diplomatische Annäherung zwischen Russland und dem Westen ist nicht zu erwarten, für beide Seiten geht es darum, neutrale Länder ins Boot zu holen.


Zumindest auf den Straßen entlang des East River wird es diesmal wieder so sein wie früher. Nachdem die Vertreter der 193 Mitgliedstaaten nach knapp drei Corona-Jahren heuer wieder persönlich nach New York reisen müssen, wenn sie an der am Dienstag beginnenden 77. Generaldebatte der Vereinten Nationen teilnehmen wollen, werden sich die schwarzen Limousinen wieder dicht hintereinander die United Nations Plaza zum UN-Hauptquartier hinaufschieben. Viele Straßen in Manhattan sind dann gesperrt, das Verkehrschaos, vor dem lokale Medien schon seit Tagen warnen, dürfte sich erst nach vielen Stunden wieder auflösen.

Sieht man von den erwarteten Staus rund um den Sitz der Vereinten Nationen ab, wird die Vollversammlung aber auch diesmal eine andere sein als früher. Denn mit dem russischen Überfall auf die Ukraine vor sieben Monaten wurde nicht nur die europäische Sicherheitsordnung pulverisiert, die größte geopolitische Krise seit dem Zweiten Weltkrieg hat auch die Energie- und Nahrungsmittelmärkte nachhaltig aus dem Tritt gebracht. Die Preise für Gas und Öl haben Rekordstände erreicht, in den Ländern des globalen Südens geht die Sorge vor Versorgungsengpässen und Hungersnöten um.

Eine diplomatische Annäherung zwischen Russland und dem Westen ist in New York dennoch nicht zu erwarten. Die russische Armee hat nach der desaströsen Niederlage bei Charkiw zwar das Momentum verloren, an den Zielen von Kriegsherr Wladimir Putin hat sich aber nichts geändert. Die militärische Spezialoperation, wie der Krieg in Russland nach wie vor nur genannt werden darf, bedürfe keiner Anpassung, betonte der russische Präsident vor wenige Tagen beim Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit.

Nach derzeitigem Stand dürfte es nicht einmal am Rande der Generalversammlung zu einem kurzen direkten Austausch zwischen Russlands Außenminister Sergej Lawrow und einem hochrangigen westlichen Vertreter kommen. Begegnen werden sich Lawrow, US-Außenminister Antony Blinken und der ukrainische Chefdiplomat Dmytro Kuleba damit nur im formellen Rahmen eines UN-Sicherheitsratstreffens auf Ministerebene.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnt dementsprechend auch vor überzogenen Hoffnungen. "Es wäre naiv zu glauben, wir wären nahe an der Möglichkeit eines Friedensabkommens", sagte der Portugiese vor kurzem. "Tatsächlich sind die Chancen dafür minimal."

Lobbying hinter den Kulissen

Sowohl der Kreml wie auch die westlichen Regierungen messen dem Treffen aber dennoch hohe Bedeutung bei. Denn sieben Monate, nachdem der russische Überfall in einer Abstimmung von fast drei Viertel der UN-Mitglieder verurteilt wurde, sieht Moskau nun nicht nur die Gelegenheit, die zunächst so starke internationale Isolation weiter zu brechen. Russland hofft auch darauf, in New York das Narrativ des Ukraine-Krieges zu seinen Gunsten beeinflussen zu können. Dafür vorgearbeitet hat Moskau bereits in den vergangenen Monaten. So hat Lawrow in Afrika, wo sich der ferne Krieg vor allem durch hohe Brotpreise bemerkbar macht, zahlreiche Länder besucht und dabei die westlichen Sanktionen für die Krise am Nahrungsmittelmarkt verantwortlich gemacht.

Ebenso wie Russland will aber auch der Westen bisher großteils neutral gebliebene Staaten in New York ins Boot holen. So will Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der zuletzt ebenfalls mehrere afrikanische Länder besucht hat, seinen zweitägigen Aufenthalt am East River vor allem dazu nutzen, hinter den Kulissen Lobbying zu betreiben. Laut dem Elysee-Palast will Macron dabei vor allem das Gespräch mit Vertretern aus Indien, Afrika und aus der Golf-Region suchen.

Zahlreiche bilaterale Treffen werden aber auch die österreichischen Vertreter in New York haben. So werden Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Kanzler Karl Nehammer und Außenminister Alexander Schallenberg nicht nur UNO-Generalsekretär Guterres treffen, sondern auch Staatsoberhäupter, deren Länder als Vermittler oder Energieproduzenten eine wichtige Rolle spielen.

Van der Bellen trifft Erdogan

Besondere Bedeutung kommt dabei wohl einem Treffen Van der Bellens mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu, das für Mittwoch angesetzt ist. Bilateral war die Stimmung zwischen Wien und Ankara längere Zeit frostig gewesen, in den vergangenen Monaten gab es aber wieder vermehrt Kontakte auf Regierungsebene. Nehammer will in New York unter anderem den pakistanischen Regierungschef Shebaz Sharif, den irakischen Premier Mustafa al-Kadhimi und den serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic treffen. Für Schallenberg stehen Gespräche mit seinen Amtskollegen aus Armenien, Aserbaidschan, Indien auf dem Programm.(rs)