Zum Hauptinhalt springen

Hass kommt teuer zu stehen

Von Alexander Dworzak

Politik
Alex Jones erklärte ein Massaker an einer Schule jahrelang zum Schauspiel.
© reuters / Mike Segar

US-Verschwörungstheoretiker Alex Jones muss fast eine Milliarde Euro Strafe zahlen.


Infowars nennt sich die Webseite von Alex Jones. Das ist stimmig, der 48-Jährige befindet sich im permanenten Kriegszustand. Sein Gegner ist das vermeintliche "Establishment", das die Bürger zu politischer Korrektheit umerzieht, dabei aber ruchlos vor keiner Schandtat zurückschreckt. Der Texaner nannte Hillary Clinton gar einen "Dämon", die frühere Außenministerin habe "persönlich Kinder ermordet und zerstückelt".

Wer die Welt so sieht, für den ist die Ermordung von 20 Kindern im Alter von sechs und sieben Jahren sowie von sechs Lehrern an einer Schule kein entsetzlicher Gewaltakt. Sondern das Werk der Regierung, um den Bürgern der Vereinigten Staaten strengere Waffengesetze zu oktroyieren. Das Massaker an der Sandy-Hook-Schule im Ostküsten-Bundesstaat Connecticut 2012 war Jones zufolge lediglich eine Inszenierung durch Schauspieler.

Über Jahre verbreitete der Texaner diese Verschwörungstheorie. Seine Anhänger belästigten und bedrohten daraufhin Angehörige der Opfer. Jones und Infowars hätten ihnen das Leben zur Hölle gemacht, sagte eine von ihnen bei einem Prozess gegen Jones im August. Der berief sich erst auf das Recht der freien Meinungsäußerung und nutzte die Redezeit, um Werbung für seine Nahrungsergänzungsmittel zu machen. "Das ist nicht Ihre Show", mahnte Richterin Maya Guerra Gamble. Im Laufe des Prozesses geriet Jones derart unter Druck, dass er das Massaker "zu hundert Prozent real" nannte.

Vergleiche mit Stalin und dem NS-Regime

Zu knapp 50 Millionen Dollar Strafe wurde Jones damals verurteilt. Am Mittwoch fiel ein weiteres Urteil, das 15 Personen angestrengt hatten. Die Angehörigen von fünf erschossenen Kindern und drei Lehrern sowie ein Agent der Bundespolizeibehörde FBI, der Ersthelfer am Tatort war, erhalten in Summe 965 Millionen Dollar (994 Millionen Euro).

Ein Anhänger Jones’ kommentierte daraufhin auf Twitter: "In dem Verfahren durfte er sich nicht auf der Grundlage der freien Meinung äußern. Nun wird ihm befohlen, hunderte Millionen Dollar zu zahlen. Stalins Geist ist zurückgekehrt." Das gefiel mehr als 32.000 Nutzern. Der Tweet beinhaltet zwei typische Argumentationsmuster von Jones’ Gefolgschaft: Nicht nur wird der Täter zum Opfer gemacht. Sondern auch der Justiz die Unabhängigkeit abgesprochen. Weniger als die Gleichsetzung mit einem Terror-Regime geht dabei nicht; Jones verglich seinen Prozess im August mit "Nazi-Deutschland".

Jahrelang hat Alex Jones daran gearbeitet, das Vertrauen in staatliche Einrichtungen und Behörden zu untergraben. Er ist dabei nicht alleine. Seit Mitte der 1990er bearbeiten der TV-Sender Fox News und online der "Drudge Report" dieses Feld. Mit Jones konkurrieren viele andere Talkshow-Gastgeber und Webseitenbetreiber, so schrill und laut wie er sind aber nur wenige. Lange Zeit war kaum jemand so erfolgreich, denn die sozialen Netzwerke gaben Hass und Hetze gerne weiter, brachte das doch Klicks und Werbegeld. Erst 2018 wurde Jones’ Account auf Twitter gesperrt, im Jahr darauf zog Facebook nach. Apple nahm fünf Podcasts des Verschwörungstheoretikers aus seinem Angebot.

Sein Denken war damals bereits längst vom Rand immer weiter in die Mitte der Gesellschaft gesickert. Im Zentrum der Macht nahm Präsident Donald Trump die Tiraden-Vorlagen auf. Nach seiner Wahl adelte er Jones und rief in dessen Sendung an.

Die Niederlage Trumps bei der Präsidentschaftswahl 2020 gegen Joe Biden wollte der abgewählte Präsident ebenso wenig wie Jones anerkennen. So weit drifteten sie in den Autoritarismus ab, dass ein demokratisch zustande gekommenes Wahlergebnis nicht akzeptiert werden sollte. Beim Angriff auf die Herzkammer des Parlamentarismus, dem Sturm des Kapitols 2021, weilte auch Jones in der Hauptstadt. Er legte die Basis für die Rassisten und Verschwörungstheoretiker von "QAnon" oder die Miliz der "Oath Keepers". Damit hatte Jones seine Schuldigkeit getan. In den Worten einer Demonstrantin: "Wir brauchen nicht Alex Jones. Wir sind nun Alex Jones."

Das Kapitol befindet sich zwar nicht mehr in den Händen von Extremisten. Im Parlament sitzen jedoch Abgeordnete, die Trumps Agenda weiterverfolgen und die Demokratie von innen aushöhlen. Eine von ihnen ist Marjorie Taylor Greene. Die Abgeordnete im Repräsentantenhaus twitterte nach dem Urteil gegen Jones: "Politische Verfolgung muss enden."